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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad
Autoren: Evelyn Sanders
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damals verliebt hatte: Ausgeblichene Hosen, ein zerknittertes T-Shirt, an den Füßen Tennisschuhe und in der Hand einen Rosenstrauß.
    »So gefällst du mir viel besser!« sagte sie überzeugt.
    Ein wenig schuldbewußt sah er an sich herab. »Ich hab’ ein bißchen im Garten herumgewurstelt und gar nicht gemerkt, daß es schon so spät geworden war. Da hatte ich keine Zeit mehr zum Umziehen.«
    Er reichte ihr die Blumen ins Abteil. »Diesmal sind es rote! Da ich mich trotz deiner Kaugummitaktik seit fünf Tagen als dein Verlobter betrachte, habe ich auch das Recht, dir rote Rosen zu schenken. Oder hast du. etwa schon welche?« Mit den Augen durchstöberte er das Abteil.
    »Das sind alles bloß Nelken«, versicherte Tinchen sofort. »Die roten stammen von Lilo, die gelben sind von Schumann, desgleichen der Gurkeneimer zum Frischhalten, und den bunten Strauß hat mir Franca geschenkt. Der verwelkt bestimmt nicht, weil sie ausgiebig hineingeheult hat.«
    »Und was ist das Gelbe da in der Tüte?« forschte er weiter.
    »Ein Zitronenzweig mit Früchten dran. Den will ich meiner Mutter mitnehmen. Sie glaubt nämlich immer noch, die Dinger buddelt man wie Kartoffeln aus der Erde.«
    Türen knallten, ein Pfiff ertönte, der Zug rollte wieder. Brandt lief nebenher und hielt Tinchens Hand fest. »Warte auf mich, Tina«, sagte er plötzlich sehr ernst, »ich bin bald in Düsseldorf. Sogar eher als du denkst. Ich liebe dich nämlich.«
    »Ich glaube, ich dich auch«, hörte sie sich zu ihrer Überraschung sagen, aber das hatte er wahrscheinlich gar nicht mehr verstanden. Bevor sie wußte, was sie eigentlich tat, hatte sie einen Schuh ausgezogen und aus dem Fenster geworfen. »Den mußt du aber wieder mitbringen!« rief sie hinterher. Wenn schon Aschenbrödel, dann wenigstens konsequent bis zum Grimmschen Ende. Und wenn sie nicht gestorben sind …
    Lange Zeit saß sie auf ihrem Platz und starrte nachdenklich auf ihren nackten Fuß. Blödsinnige Idee, einfach die Sandalette rauszuschmeißen. Fast hätte Klaus sie noch am den Kopf gekriegt! Er hatte ja auch reichlich blöd geguckt, als er den Schuh aufhob. Ob er den tieferen Sinn überhaupt verstanden hatte? Vermutlich hielt er sie für verrückt, aber daran mußte er sich ohnehin gewöhnen. Sogar Karsten hatte sich schon des öfteren anerkennend über den Einfallsreichtum seiner Schwester geäußert, obwohl er selbst auch nicht gerade an Phantasiemangel litt. Und Florian erst! Aber der hatte ja immer mit gleicher Münze heimgezahlt. Der Regenwurm in der Schreibtischschublade als Quittung für den mit zwei Teelöffeln Salz getränkten Kaffee, oder die Sache mit der angeblichen Opernpremiere, als sie im langen Abendkleid aus dem Taxi gestiegen war und sich zwischen lauter Teenagern wiedergefunden hatte. Und dann hatte Florian auch noch mit todernster Miene behauptet, er müsse wohl den Tag verwechselt und sie statt dessen zu einem Konzert der Bay-City-Rollers eingeladen haben.
    Sie schüttelte energisch den Kopf. Das alles war jetzt vorbei! Mit Klaus würde sie richtige Opern besuchen, in klassische Konzerte gehen und überhaupt kulturell viel aufgeschlossener werden. Er schien eine ganze Menge Ahnung zu haben. Wagner liebte er besonders und hatte ihr auch schon angedroht – nein, natürlich versprochen! –, daß er mit ihr zu den Festspielen nach Bayreuth fahren werde.
    Sie stand auf und holte die Reisetasche aus dem Gepäcknetz. Die grünen Slipper würden zwar nicht zu den hellblauen Hosen passen, aber darauf kam es jetzt auch nicht an. In Kürze würde es sowieso dunkel werden. Plötzlich schoß es ihr siedendheiß durch den Kopf: Sie hatte die Schuhe ja noch in letzter Minute in den großen Koffer gestopft, der zusammen mit dem anderen Gepäck aufgegeben worden und bestimmt schon in Düsseldorf war. Was nun? Fieberhaft durchwühlte sie die Tasche in der Hoffnung, doch noch ein Paar Treter zu finden, obwohl sie genau wußte, daß sie vergeblich suchte. Nur dunkelrote Socken von Florian kamen zum Vorschein. Handgestrickte, die Bommel mal angeschleppt hatte. Immer noch besser als gar nichts an den Füßen! Sie zog die Strümpfe an und stellte fest, daß sie nicht nur mindestens drei Nummern zu groß waren, sondern auch noch Löcher hatten. Nicht mal anständige Socken kann er sich leisten! Aber wozu auch? Meistens lief er ja ohne herum!
    Tinchen zog ihre Entenbeine auf den Sitz und legte die Wolljacke darüber. Hoffentlich blieb sie möglichst lange allein im Abteil oder
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