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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad
Autoren: Evelyn Sanders
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Schumann sagt, das sei Kummerspeck, und ich solle endlich mal an was anderes denken. Blöder Hund! Gute Ratschläge sollte man weitergeben. Einem selbst nützen sie ja doch nichts.
     
    19. August
    Heute früh große Aufregung. Kurz nach sechs scheuchte mich Franca aus dem Bett. Einem Gast sei offenbar schlecht geworden, entsetzliches Stöhnen käme aus seinem Zimmer, und was sie tun solle. Die Tür könne sie nicht öffnen, weil innen der Schlüssel stecke. Auf Klopfen käme keine Antwort. Ob sie einen Arzt holen müsse? Schickte sie zu Schumann. Der diagnostizierte durch geschlossene Tür Herzinfarkt und telefonierte nach Dottore Marineo. Stöhnen ging in Erstikkungsanfälle über. Schumann ließ Tür aufbrechen.
    Todkranker saß äußerst lebendig auf Toilettenbrille. Hielt Opernpartitur in der Hand und sah reichlich verdattert aus. Glaubte an Raubüberfall oder Terroristen.
    Des Rätsels Lösung: Gasu ist Opernsänger und probte für seine neue Rolle. Soll in ›Lulu‹ den Schigolch spielen, einen asthmatischen Greis, der trotzdem singt. Behauptete, die überzeugende Darstellung solch eines medizinischen Phänomens erfordere wochenlanges Probieren. Sehr zerknirscht, weil er unwissentlich Ursache dieses Volksauftriebs gewesen. Versprach Dottore Marineo Freikarten.
     
    22. August
    Nun ist es amtlich! Am Samstag Lilos Verlobungsanzeige in der Zeitung entdeckt. Hochzeit soll im November sein. Meinen Segen hat sie, legt aber wohl keinen Wert darauf. Wurde richtig giftig, als ich ihr sagte, daß Verlobungszeit wie ein süßer Traum sei und die Hochzeit der Wecker. Fragte mich, wie ich zu dieser Weisheit käme, dabei müßte sie das doch selbst am besten wissen. Anscheinend gehört sie aber zu jenen ausgeglichenen Menschen, die denselben Fehler zweimal machen können, ohne dabei nervös zu werden.
     
    27. August
    Sergio hat heute den Dienst quittiert. Behauptet, er müsse mal wieder an ernsthafte Arbeit denken. Weiß aber noch nicht, ob er weiter Germanistik oder nicht doch besser asiatische Religionswissenschaften studieren soll. Letzteres reize ihn wegen der damit verbundenen Meditationsübungen, denn sie machten das Nichtstun endlich gesellschaftsfähig.
    Großer Bahnhof am Bahnhof. Blondinen wie die Orgelpfeifen, dazwischen zwei einheimische Gewächse (vermutlich stille Reserve), sogar Ercole war aus seiner Einöde gekommen. Ohne Esel. Die werden sich auch wundern. Nicht ohne Grund hat Sergio in jedem Hotel immer die Zuckertütchen geklaut.
    Seine ewig gute Laune und sein loses Mundwerk werden mir fehlen.
     
    31. August
    Die Reisewelle ebbt langsam ab. Heute 84 Gäste abgereist und nur 30 angekommen. Alles ältere Ehepaare ohne Anhang. Die Ferien gehen zu Ende. Schumann deshalb ganz froh. Stellte fest, daß Kinder tatsächlich jedes Haus erhellen – sie lassen überall das Licht brennen.
     
    Als Tinchen mittags vom Büro kam, lief ihr Franca über den Weg. Sie schluchzte zum Steinerweichen, schimpfte zwischendurch in allen ihr geläufigen Sprachen, darunter auch in Englisch, und Tinchen entnahm ihrem wütenden »Go to hell, you stupid silly woman!«, daß es mal wieder Ärger mit einem weiblichen Gast gegeben hatte.
    »Was ist denn los, Franca? Sie sollten doch inzwischen wissen, daß die Engländer noch mehr Marotten haben als andere Touristen. Weshalb regen Sie sich also auf?«
    »Ist nicht englisch Frau, ist Deutsche. Sagt, ich nicht bin sauber genug und will alles machen selber. Putzt Boden und macht Bett.«
    »Dann lassen Sie sie doch! Um so weniger Arbeit haben Sie.«
    »Aber wenn Chef erfährt, er ist böse.«
    »Unsinn! Herr Schumann weiß ganz genau, daß Sie sein bestes Pferd im Stall sind. Ich werde mir diesen Putzteufel mal vorknöpfen. In welchem Zimmer wohnt die Dame?«
    »Nummer siebenunddreißig in dritten Stock.«
    »Wissen Sie, ob sie jetzt da ist?«
    Franca nickte heftig. »Ist da. Macht gerade Bett mit eigene Wäsche.«
    Tinchen wurde neugierig. Es war tatsächlich schon vorgekommen, daß ein Gast gelegentlich Scheuerpulver gekauft und sein Waschbecken selbst geschrubbt hatte, aber hauptsächlich dann, wenn er dort Seesterne eingeweicht oder seine Haare gefärbt hatte. Ein Tourist, der mit eigener Bettwäsche anreiste, war allerdings neu. Tinchen klopfte an die Tür.
    »Komme Se nur roi, dann kenne Se glei d’ Wäsch uffräume!«
    Vor Tinchen stand eine Frau von etwa fünfzig Jahren, eingewickelt in Kittelschürze nebst Kopftuch, die mit einem Lederlappen das Fenster bearbeitete.
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