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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden
Autoren: Greg Iles
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manchmal bemerkenswert intensiv sein. »Wir müssen uns unterhalten, Cat. Noch heute Nacht.«
    Ich antworte nicht.
    »Ich mache Feierabend, sobald ich kann«, verspricht er.
    »In Ordnung«, sage ich in dem Wissen, dass es die einzige Möglichkeit ist, von hier wegzukommen. »Da ist Captain Piazza.«
    Seans Kopf ruckt herum. »Wo?«
    Ein weiterer Messerstich. »Ich dachte, ich hätte sie gesehen. Du siehst besser zu, dass du wieder zurück ins Haus kommst.«
    Er drückt meine Oberarme; dann öffnet er die Fahrertür des Audi und hilft mir beim Einsteigen. »Fahr vorsichtig, ja?«
    »Mach dir keine Gedanken um mich.«
    Anstatt zu gehen, kniet er in der offenen Tür, packt mein linkes Handgelenk und redet drängend auf mich ein. »Ich mache mir aber Gedanken um dich! Was ist los, Cat? Ich kenne dich, verdammt. Rück mit der Sprache raus!«
    Ich lasse den Motor hochdrehen und setze den Wagen langsam in Bewegung, sodass Sean keine andere Wahl bleibt, als meine Hand loszulassen.
    »Cat!«, ruft er, doch ich schlage die Tür zu und fahre weiter, lasse ihn am nassen Straßenrand stehen, wo er hinter meinen Rücklichtern herstarrt.
    »Ich bin schwanger«, sage ich viel zu spät.
    Zwei Meilen vor meinem Haus am Lake Pontchartrain wird mir bewusst, dass ich nicht nach Hause fahren kann. Wenn ich in meine Wohnung komme, werden sich die Wände um mich herum zusammenziehen wie erstickende Kissen, und ich werde wie eine Verrückte auf und ab rennen, bis Sean seinen Wagen in die Garage fährt und das Tor mit seiner Fernbedienung herunterlässt. Bei jedem Wort, das er im Anschluss daran sagen wird, werde ich im Hintergrund die Uhr hören, die tickend die Sekunden abzählt, bevor er nach Hause zu seiner Frau und seinen Kindern muss. Und das kann ich heute Nacht ganz und gar nicht ertragen.
    Normalerweise halte ich bei einem Spirituosenladen, nachdem ich an einem Verbrechensschauplatz gearbeitet habe, und kaufe mir eine Flasche Wodka. Nicht so heute. Die kleineAnsammlung von Zellen, die in mir heranwächst, ist das einzige Reine in meinem Leben, und ich werde ihm keinen Schaden zufügen. Selbst wenn es Schreikrämpfe und eine Gummizelle bedeuten sollte. Das ist das Einzige, was ich im Augenblick mit absoluter Sicherheit weiß.
    Ich habe zu Anfang einen Totalentzug versucht, weil ich denke, es ist das Beste für das Baby. Zwanzig Stunden nach diesem Fehler fing ich so schlimm zu zittern an, dass ich nicht einmal mehr den Reißverschluss meiner Jeans aufbekam, um zu pinkeln. Noch ein paar Stunden später fing ich an, überall im Haus Schlangen zu sehen. Eine kleine Klapperschlange in einer Ecke der Küche, zusammengerollt zu einer tödlichen Spirale. Eine fette Cottonmouth Mokassin an einem Topffarn im Wohnzimmer. Eine leuchtend bunte Korallenschlange beim Sonnen im schmerzhaft grellen Licht hinter der Glastür im Wohnzimmer. Alle tödlich, ausnahmslos, und alle im Begriff, mich einzukreisen und ihre Zähne in mein Fleisch zu bohren, bis sie den allerletzten Tropfen Gift aus ihren Drüsensäcken in mich gepumpt haben.
    Hallo, Delirium tremens …
    Totalentzug kam also nicht infrage. Ich versenkte mich in meine medizinischen Bücher, aus denen ich erfuhr, dass die ersten achtundvierzig Stunden des Entzugs die schlimmsten wären. Suchtspezialisten verschrieben Valium, um die körperlichen Symptome zu dämpfen, während die psychische Sucht abklingt, doch Valium kann bei Ungeborenen zu einem Wolfsrachen führen, wobei das Risiko von der Dosierung und der Dauer der Einnahme abhängt. Ein ausgewachsenes Delirium tremens auf der anderen Seite kann zu Herzinfarkt, Schlaganfall und Tod im Mutterleib führen. Diese Wahl zwischen verschiedenen Übeln erwies sich also letzten Endes als keine Wahl. Ich kenne ein Dutzend Chirurgen, die imstande sind, einen Wolfsrachen zu operieren, aber ich kenne niemanden, der einen Toten wieder auferwecken könnte. Als die Korallenschlange auf mich zukroch, kletterte ich auf einen Tisch, riefbei Rite Aid Pharmacy an und verschrieb mir selbst genügend Valium, um die ersten achtundvierzig Stunden zu überstehen.
    Die Reifen des Audi kreischen, als ich den Wagen in eine 180-Grad-Kehre zwinge und am Fuß der Auffahrt zur Interstate 10 anhalte. Limousinen und Laster jagen vorüber und hupen wütend. Eine Stunde Fahrt in westlicher Richtung auf der I-10 würde mich nach Baton Rouge bringen. Von Baton Rouge aus verläuft der Highway 61 neunzig Meilen nördlich am Mississippi entlang bis Natchez, dem Ort meiner
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