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Bissige Gäste im Anflug

Bissige Gäste im Anflug

Titel: Bissige Gäste im Anflug
Autoren: Franziska Gehm
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Untergeschoss lag, schloss das Fenster an die Zimmerdecke an. Für Menschen und andere flugunfähige Lebewesen war es zwar von außen gut zu erreichen, aber von innen nur, wenn sie eine Leiter benutzten. Oder ein Trampolin. Aber wo, fragte sich Mihai Tepes, sollten die Diebe die Leiter oder das Trampolin hingestellt haben? Unter dem Fenster stand ein Regal und davor ein breiter Tisch. Oder hatten die Diebe ein Seil benutzt?
    Herr Tepes musterte das Fenster. Der Griff sah aus, als wäre er etwas verbogen. Die Scheibe war unbeschädigt. Mihai Tepes wollte schon wieder nach unten fliegen, als er im letzten Moment einen Flecken in der linken, unteren Fensterecke bemerkte. Er flog so dicht an das Fenster heran, dass seine Nase beinahe die Scheibe berührte. Der Fleck war von außen am Fenster. Genau genommen war es kein Fleck, sondern es waren drei Striche. Sie waren dunkelrot und leicht gebogen, wie Haken. Oder wie die Krallen eines großen Raubtieres.
    Mihai Tepes runzelte die Stirn. Bis jetzt waren ihm in Bindburg nur Hausmäuse, Ratten, Eichhörnchen, Tauben und jede Menge Käfer begegnet. Trotzdem kamen ihm diese drei Krallen bekannt vor. Irgendwo hatte er sie schon einmal gesehen. An irgendetwas erinnerten sie ihn.
    Aber mit der Erinnerung und einem Vampir war das so eine Sache. Mihai Tepes war vor 2676 Jahren auf die Welt gekommen. Seit Tausenden von Jahren stapelten sich in seinem Kopf die Erinnerungen. Je höher die Stapel wurden, desto schlechter kam er an manche Erinnerungen heran. Einige blieben für immer verschüttet. (Zum Glück zählte dazu nicht der Hochzeitstag mit Elvira).
    Mihai klopfte mit den langen Fingernägeln der rechten Hand mehrmals an die Fensterscheibe. Mit der linken Hand strich er sich über den Lakritzschnauzer. Beinahe hätte er vor lauter Nachdenken das Fliegen vergessen und wäre abgestürzt.
    »Flatliac, treptoi je!«, murmelte Herr Tepes vor sich hin, während er langsam wieder zu Boden sank. Das war eine alte vampwanische Redensart, die so viel hieß wie ›Fledermaus, ich höre dir trapsen‹.
    Herr Tepes sah noch einmal von unten zum Fenster. Auf seiner Stirn bildeten sich tiefe Falten. Er wusste nicht, was das alles genau zu bedeuten hatte. Er wusste nicht, wer die gesamten Blutproben gestohlen hatte und was er damit wollte. Er wusste nur eins: Er hatte ein grottenschlechtes Gefühl. Und er hatte eine nebelhafte Vermutung, bei der sich seine Eckzähen vor Schrecken verbogen.

Gefangen
im Gips
    D irk van Kombast hatte sich seine Heimkehr nach Deutschland anders vorgestellt. Wenn schon nicht als erfolgreicher und gefeierter Vampirjäger, so doch zumindest auf einem bequemen Business-Class-Sitz, umgeben von reizenden Flugbegleitern und Flugbegleiterinnen, mit Nüsschen und Orangensaft in Reichweite. Der erfahrene Pilot hätte sanft auf einer der Landebahnen des Bindburger Flughafens aufgesetzt und wenig später hätte sich Dirk van Kombast ein Taxi in den Lindenweg genommen. Zu Hause wäre er in seine himmelblauen Puschelhausschuhe geschlüpft, hätte sich auf die brombeerfarbene Ledercouch im Wohnzimmer gelegt und zur Entspannung in seiner Gesundheitszeitschrift geblättert.
    Doch statt sich in die Hände einer reizenden Flugbegleiterin zu begeben, hatte sich Dirk van Kombast einer blutrünstigen Bestie ausgeliefert. Er hatte keine Wahl gehabt. Auf dem muskelharten und etwas muffig riechenden Rücken von Urio Transgoliato hatte es statt Nüsschen und Orangensaft jede Menge blauen Dunst gegeben. Und auch die Landung war alles andere als sanft gewesen.
    Dirk van Kombast hatte den ganzen Tag im Krankenhaus verbracht. Frau Zicklein war so nett gewesen, ihm ihre Schlafmaske zu leihen, sodass er sich trotz des grellen Krankenhauslichtes ein wenig von den Strapazen der ungewöhnlichen Reise erholen konnte. Sein rechter Fuß war bis zum Knie komplett in Gips. Sein rechtes Bein war gebrochen. Auf die Frage des Arztes, was er nachts im Apfelbaum zu suchen hatte, verweigerte Dirk van Kombast die Antwort.
    Erst gegen Abend wurde er auf eigenen Wunsch wieder nach Hause gefahren. Man setzte ihn am Straßenrand ab und gab ihm zwei Gehstöcke. Schon nach dem kurzen Weg vom Bürgersteig zu seiner Wohnungstür zitterten ihm vor Anstrengung die Arme. Erschöpft ließ er sich auf die brombeerfarbene Wohnzimmercouch fallen. Nach einer Weile juckte es ihn an seiner rechten Wade. Er stand auf, hüpfte in die Küche, holte sich ein Essstäbchen und hüpfte wieder zurück zur Couch. Dort lag er nun schon
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