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Bissige Gäste im Anflug

Bissige Gäste im Anflug

Titel: Bissige Gäste im Anflug
Autoren: Franziska Gehm
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Tepes. Auf so etwas kamen eben nur Vampire, beziehungsweise Halbvampire.
    Elvira Tepes war von der Idee nicht ganz so begeistert gewesen: vier Kinder, allein unterwegs, nach Sonnenuntergang! Da merkte man wieder, dass sie – im Gegensatz zu ihrem Mann – kein Wesen der Nacht war. Sie hatte Angst vor der Dunkelheit. Dabei war es am Tag viel gefährlicher. Schon allein der verrückte Straßenverkehr! Und all die Menschen! Deswegen blieb Mihai Tepes tagsüber lieber in seinem Sarg im Keller. Dort war er in Sicherheit. Dort konnte er in Ruhe und Frieden mit Napoleon und Fidel Rennzeckenrennen veranstalten. Er war der Zuschauer, Napoleon und Fidel die Zecken.
    Mihai Tepes überlegte gerade, ob er Napoleon und Fidel einmal mit ins Institut nehmen und auf dem langen Linoleumgang gegeneinander antreten lassen sollte, als er die Hand zum Kühlschrankgriff hob. Mitten in der Bewegung hielt er inne. Die Kühlschranktür stand einen kleinen Spalt auf. Hatte sie einer von Herrn Tepes' Kollegen nicht richtig geschlossen? Das war noch nie vorgekommen. Darauf zu achten, dass der Laborkühlschrank ordentlich geschlossen war, war oberstes Gebot im Institut. Prof. Dr. Dr. h. c. Dobelhammer wurde sehr wütend, wenn jemand gegen dieses Gebot verstieß. Mihai Tepes hatte seinen Chef bisher nur einmal sehr wütend erlebt. Er war schwer beeindruckt gewesen.
    Mihai Tepes kniff die Augen zusammen und musterte den Kühlschrank. Auf der Edelstahltür entdeckte er eine feine, dünne dunkelrote Spur. Mit Mühe widerstand er dem Drang, sie sofort abzulecken. Stattdessen fasste er an den Türgriff und zog die Kühlschranktür mit einem Ruck auf.
    »SCHLOTZ ZOPPO!«, rief Herr Tepes. Die Wörter hallten durch das menschenleere Labor.
    Im Kühlschrank, der normalerweise von oben bis unten gefüllt war mit Blutproben, war nichts. Fast nichts. Im mittleren Fach lag einsam ein Blutröhrchen. Der Verschluss war abgerissen, bis auf ein paar kleine Blutstropfen war das Röhrchen leer.
    Mihai Tepes starrte mit weit aufgerissenen, verschwommenen Augen in den Kühlschrank, als würde er direkt in die Hölle sehen. Sein dichter Schnauzbart, der sich an den Wangen kringelte wie zwei Lakritzschnecken, zitterte.
    »Znicnak! Alle Blutproben, znicnak!«, rief Herr Tepes, fuhr sich mit beiden Händen durch die halblangen Haare, drehte sich einmal um sich selbst und sah sich mit von Panik gezeichnetem Blick im Labor um.
    »Das kann nicht sein ... sie müssen doch irgendwo ... wer macht denn so was ...« Mihai Tepes schritt hektisch durch das Labor. Nicht nur, dass er die Nachtschicht mit leerem Magen beginnen musste, er musste auch Prof. Dr. Dr. h. c. Dobelhammer vom mysteriösen Verschwinden der Blutröhrchen berichten, sollten sie bis zum nächsten Morgen nicht wieder auftauchen.
    Aus irgendeinem Grund hatte Mihai Tepes die Vermutung, dass sie das nicht tun würden. Und mit seinen Vermutungen hatte er bis jetzt meistens richtig gelegen. Doch zunächst musste er sich beruhigen. Er flog fünf Runden über dem Labortisch, klaute einer Spinne das Abendessen aus dem Netz und landete wieder vor dem leeren Kühlschrank. Er starrte auf die verwaisten Fächer. Wer tat so etwas? Wer klaute alle Blutproben aus dem rechtsmedizinischen Institut? Vielleicht ein Mörder, der Angst hatte, durch eine Blutprobe überführt zu werden und zur Sicherheit gleich alle Blutröhrchen aus dem Institutskühlschrank mitgenommen und zerstört hatte.
    Denn eins stand fest: Die Blutproben hatte jemand gestohlen. Sie waren nicht einfach verdunstet und es hatte sie auch keiner ausgeliehen oder umgelagert. Mihai Tepes' Meinung nach deutete alles auf einen heimtückischen, skrupellosen Diebstahl hin.
    Er trat näher an die Kühlschranktür heran und betrachtete die feine dunkelrote Blutspur genauer. Sie wurde nach unten hin immer dünner und ging schließlich in kleine Tropfen über. Die Tropfen wurden zu Tröpfchen und verteilten sich vom unteren Türende auf den Laborfußboden. Mihai Tepes ging in die Hocke und folgte der Tröpfchenspur im Entengang. Dabei tropfte ihm selbst ein wenig Speichel aus dem rechten Mundwinkel. Die Blutspur führte ein Stück über den Fußboden, dann hinauf auf einen Labortisch, der an der Wand stand, und weiter hinauf auf ein Regal. Mihai Tepes flog am Regal entlang, die Nase dicht vor den Tröpfchen, die immer kleiner und unscheinbarer wurden. Das letzte Tröpfchen, das Herr Tepes erkennen konnte, klebte an der Wand, kurz vor einem kleinen Fenster.
    Da das Labor im
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