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Bissige Gäste im Anflug

Bissige Gäste im Anflug

Titel: Bissige Gäste im Anflug
Autoren: Franziska Gehm
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etwas. Im ersten Moment dachte der Vampirjäger, es wären seine Knochen. Dann erkannte er, dass er auf einem Ast saß. Da war es allerdings schon zu spät. Dirk van Kombast krachte nach unten. Samt Ast und ein paar verfaulten Äpfeln.
    Er schrie zehn Sekunden lang. Vor Angst. Und vor Schmerz. Erst spürte er ihn am Ellbogen, dann am Rücken und schließlich im Bein.
    Er schrie noch mal zehn Sekunden.
    Auf einmal bemerkte er, dass am Zaun zum Nachbargarten jemand stand. Es war weder ein Gartenzwerg noch ein Riesenvampir. Es war Frau Zicklein. Sie trug ein rotes, knielanges Nachthemd und hatte die rosafarbene Schlafmaske, auf der in Schnörkelschrift Sleeping Beauty stand, in die Haare geschoben.
    Wenn Frau Zicklein nicht gerade nachts im Nachthemd am Gartenzaun stand, war sie alleinerziehende Mutter und Filialleiterin und hatte viel um die Ohren. Sie sah ihren Nachbarn von Reihenhaus Nummer 21 nicht oft. Aber so hatte sie ihn noch nie gesehen. Der sonst so charmante, gut gebräunte Mann saß reichlich blass und verdattert unter einem Apfelbaum. In seinem Pullover steckten kleine Zweige mit Blättern. Um ihn herum und auf seinem Schoß lag Fallobst. Ein verfaulter Apfel war auf seinem Kopf in zwei Hälften zersprungen.
    Dirk van Kombast versuchte zu lächeln. »Herrliche Nacht, nicht wahr?«, brachte er unter Schmerzen hervor.
    Frau Zicklein sah ihn ausdruckslos an. Dann nickte sie langsam. Vielleicht hatte der Pharmavertreter im Selbstversuch neue Pharmaka ausprobiert, deren Wirkung äußerst umstritten war.
    Dirk van Kombast versuchte aufzustehen. Er hatte das Gefühl, jemand würde ihm mit einem Schwert von der Fußsohle bis zum Knie durch die Knochen fahren. Er schrie abermals auf und fiel zu Boden. Beziehungsweise auf das Fallobst.
    Frau Zicklein war bereits über den Zaun geklettert und rannte auf den vor Schmerzen schreienden Nachbarn zu. »Warten Sie, ich helfe Ihnen.« Sie kniete sich neben ihn und tastete das Bein ab.
    Dirk van Kombast jaulte auf.
    »Gebrochen. Ganz sicher. Ich rufe einen Krankenwagen. Brav sein und nicht vom Fleck rühren, verstanden?«, sagte sie und verschwand über den Zaun ins Nachbarhaus.
    Selbst wenn Dirk van Kombast gewollt hätte, hätte er sich nicht vom Fleck rühren können. In seinem rechten Bein hämmerte der Schmerz. In seinem Kopf irrten die Gedanken hin und her, kreuz und quer, wie Billardkugeln nach dem Anstoß.
    Ihm war die Flucht aus dem transsilvanischen Gefängnis gelungen. Er war wieder zu Hause. Wie der Agent in seinem Buch hatte er seine Informationen gut ausgespielt. Nein. Er war noch viel größer als der Agent im Buch: Er hatte mit Informationen gehandelt, die er gar nicht besaß. Er wusste nicht, wo Helene Steinbrück wohnte. Trotzdem hatte ihn der Riesenvampir nach Hause geflogen.
    Gerne hätte Dirk van Kombast Frau Zicklein davon berichtet. Dieser Flug war ein sensationelles Abenteuer gewesen. Nur die Landung war nicht ganz so sensationell. Dennoch schrie die ganze Geschichte nach einem Publikum. Aber nach den Erlebnissen mit der rumänischen Polizei war er schlauer. Er durfte seine Deckung nicht wieder so schnell aufgeben. Sonst würde er nicht als Held in den Geschichtsbüchern, sondern als armer Irrer in der geschlossenen Anstalt landen. Genau wie seine Mutter. Ereilte ihn dieses Schicksal, würde womöglich die gesamte Menschheit eines Tages vor die Vampire gehen.
    Unter Schmerzen hob Dirk van Kombast den Kopf und sah durch die Äste des Apfelbaums zum Himmel. Was wollte Urio Transgoliato von Helene Steinbrück? Wieso gerade sie, die beste und einzige Freundin der Vampirschwestern? Hatte es etwas mit Familie Tepes zu tun? Betrieben die Vampire untereinander so etwas wie Frischbluthandel? Vielleicht, überlegte der Vampirjäger, hatte Helene eine besonders schmackhafte Blutgruppe. Vielleicht hatte sie aber auch nur etwas bei ihrem Besuch in Transsilvanien vergessen und Herr Transgoliato brachte es ihr.
    Es gab zu viele Vielleichts und zu viele Fragen. Wie so oft im Leben eines Vampirjägers hieß es abwarten, beobachten, erst dann eingreifen. Dirk van Kombast seufzte. Der Himmel über der Reihenhaussiedlung war tiefblau und vampirleer. Auch er gab keine Antworten.

Eine gefährliche
Botschaft
    L udo riss sich den Kissenbezug vom Kopf. Er hatte sich ihn in der Nacht übergestülpt, um den Geistern und seltsamen Träumen zu entkommen. Vergebens. Wie giftiges Gas waren sie durch den Stoff in seinen Kopf gedrungen, hatten ihn benebelt, erschaudern lassen und ihm
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