Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis(s) 3 - Bis(s) zum Abendrot

Bis(s) 3 - Bis(s) zum Abendrot

Titel: Bis(s) 3 - Bis(s) zum Abendrot
Autoren: Stephenie Meyer
Vom Netzwerk:
auswendig?«
    »Nicht jeder hat so ein fotografisches Gedächtnis wie du«, sagte ich kurz angebunden.
    »Fotografisches Gedächtnis hin oder her, ich begreife nicht, was dir daran gefällt. Die Figuren sind furchtbare Menschen, die einander das Leben zur Hölle machen. Es ist mir ein Rätsel, weshalb man Heathcliff und Cathy mit Paaren wie Romeo und Julia oder Elizabeth Bennett und Mr Darcy auf eine Stufe stellt. Es ist keine Liebesgeschichte, sondern eine Hassgeschichte.«
    »Mit den Klassikern hast du’s wohl nicht so«, sagte ich schnippisch.
    »Vielleicht weil mich das Alte nicht beeindruckt.« Er lächelte, sichtlich zufrieden, weil er mich abgelenkt hatte. »Im Ernst, warum liest du es immer wieder?« Echtes Interesse blitzte in seinen Augen auf; er versuchte wieder einmal zu verstehen, wie mein Denken funktionierte. Über den Tisch hin weg nahm er mein Gesicht in die Hände. »Was gefällt dir so daran?«
    Seine ehrliche Neugier war entwaffnend. »Ich weiß nicht genau«, sagte ich und versuchte zusammenhängend zu denken. Ohne es zu wollen, verwirrte er mich mit seinem Blick. »Ich glaube, es hat mit der Unausweichlichkeit zu tun. Dass nichts sie trennen kann – weder Cathys Egoismus noch Heathcliffs Boshaftigkeit, am Ende nicht einmal der Tod …«
    Er sah nachdenklich aus, während er meine Worte abwog. Nach einer Weile lächelte er neckend. »Dennoch glaube ich, es wäre eine bessere Geschichte, wenn einer von beiden wenigstens eine gute Eigenschaft hätte.«
    »Vielleicht ist das gerade der springende Punkt«, sagte ich. »Ihre Liebe ist ihre einzige gute Eigenschaft.«
    »Ich hoffe, du bist vernünftiger – und verliebst dich nicht in jemanden, der so … boshaft ist.«
    »Es ist ein bisschen zu spät, sich Gedanken darüber zu machen, in wen ich mich verliebe«, sagte ich. »Aber obwohl mich niemand vorher gewarnt hat, finde ich, dass ich das ganz gut hingekriegt habe.«
    Er lachte leise. »Es freut mich, dass du so darüber denkst.«
    »Und ich hoffe, du bist klug genug, dich von Frauen fernzuhalten, die so selbstsüchtig sind. Catherine ist das eigentliche Problem, nicht Heathcliff.«
    »Ich werde mich hüten«, versprach er.
    Ich seufzte. Ablenkungsmanöver waren seine Spezialität.
    Ich legte meine Hand auf seine und zog sie an mein Gesicht. »Ich muss Jacob sehen.«
    Er schloss die Augen. »Nein.«
    »Es ist wirklich nicht gefährlich«, sagte ich, jetzt wieder flehend. »Früher hab ich immer den ganzen Tag mit ihnen in La Push verbracht, und es ist nie irgendwas passiert.«
    Aber das stimmte nicht ganz; meine Stimme versagte, als mir auffiel, dass ich nicht die Wahrheit sagte. Es war nicht richtig, dass nie irgendwas passiert war. Eine blitzartige Erinnerung – ein riesiger grauer Wolf, der zum Sprung ansetzte und die dolchartigen Zähne bleckte – und meine Handflächen wurden feucht vor Panik.
    Edward hörte, wie mein Herz schneller schlug, und nickte, als hätte ich die Lüge eingestanden. »Werwölfe sind unberechenbar. Häufig werden Menschen verletzt, die sich in ihrer Nähe aufhalten. Manche kommen sogar ums Leben.«
    Ich wollte widersprechen, aber ein Bild ließ mich verstummen. Ich sah das Gesicht von Emily Young vor mir, das einmal so schön gewesen war und jetzt von drei dunklen Narben entstellt wurde, die von ihrem rechten Auge bis zum Mund verliefen und ihn für immer zu einer schiefen Grimasse verzerrten.
    Edward wartete grimmig, aber siegesgewiss, bis ich meine Stimme wiedergefunden hatte.
    »Du kennst sie nicht«, flüsterte ich.
    »Ich kenne sie besser, als du glaubst, Bella. Ich war beim letzten Mal dabei.«
    »Beim letzten Mal?«
    »Vor über siebzig Jahren kamen wir den Wölfen erstmals in die Quere … Da hatten wir uns gerade in der Nähe von Hoquiam niedergelassen. Alice und Jasper waren damals noch nicht bei uns. Wir waren trotzdem in der Überzahl, doch das hätte sie nicht von einem Kampf abgehalten, wäre Carlisle nicht gewesen. Ihm gelang es, Ephraim Black davon zu überzeugen, dass ein friedliches Nebeneinander möglich sei, und schließlich schlossen wir den Vertrag.«
    Beim Namen von Jacobs Urgroßvater erschrak ich.
    »Wir glaubten, mit Ephraim sei die Linie ausgestorben«, murmelte Edward; er schien jetzt mehr zu sich selbst zu sprechen. »Dass der genetische Trick, der die Verwandlung möglich macht, verlorengegangen sei …« Er brach ab und sah mich vorwurfsvoll an. »Es scheint wirklich eine Art Fluch zu sein, der von Tag zu Tag mächtiger wird.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher