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Verzaubert!

Verzaubert!

Titel: Verzaubert!
Autoren: Nancy Madore
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Dis Schöne und das Biest
    M an nennt mich die Schöne. Möglicherweise haben Sie schon von mir gehört. Meine Geschichte wurde unzählige Male in leuchtenden Farben geschildert. Oder zumindest das, was man für meine Geschichte hält.
    In Wahrheit war jedoch alles ganz anders. Aber vielleicht ist die Wahrheit einfach zu fantastisch, um sie glauben zu können. Ich versichere Ihnen: Es gab Zeiten, da konnte ich die Wahrheit selbst kaum glauben. Alles kam mir vor wie ein längst vergangener sinnlicher Traum.
    Natürlich stimmt auch einiges von dem, was man sich über mich erzählt: dass ich mit einer furchterregenden Kreatur zusammengelebt habe, um meinen Vater vor dem Tod zu bewahren. Und dass ich mich in das Biest verliebt habe.
    Doch dann folgt in den Märchenbüchern stets das glückliche Ende: Es wird erzählt, dass meine Liebe das Biest von seinem bösen Fluch erlöst habe. Aus dem furchterregenden Geschöpf wurde ein schöner Prinz, und wir haben noch am gleichen Tag geheiratet. Und von da an lebten wir glücklich bis an unser Ende.
    Aber das ist nicht die Wahrheit.
    Denn wissen Sie, es ist so:
Ich vermisse mein Biest.
    Manchmal wandere ich hier durch die riesigen, menschenleeren Gemächer des Schlosses und muss an den ersten Tag denken. An den Tag nach meiner Ankunft.
    Ich hatte in der ersten Nacht hier nicht eine Sekunde geschlafen, war ängstlich und wusste nicht, was mich erwartete. Bei ihm, diesem Fremden, der wollte, dass ich bei ihm war. Was würde er von mir verlangen? Warum war ich hier?
    Ich verbrachte diesen ersten Tag in der Fremde ganz allein. Und mir blieb nichts anderes übrig, als herumzuwandern, nachzudenken und abzuwarten.
    Nein, ich wurde nicht gegen meinen Willen im Schloss festgehalten. Es war eine … Abmachung. Meine Gefühle waren gemischt. Noch nie war ich allein von zu Hause weg gewesen. Mein bisheriges Leben war völlig ereignislos verlaufen. Deshalb war ich nun ebenso ängstlich wie aufgeregt.
    Bis zu diesem Tag hatte ich noch nie ein Schloss von innen gesehen. Aber das prächtige Anwesen des Biests war genau so, wie man es sich vorstellt. Aus der Ahnengalerie blickten strenge Gesichter in goldenen Bilderrahmen stumm auf mich herab. Prachtvoll gefertigte Teppiche und ausladende Ölgemälde mit seltsam exotischen Motiven zierten die Wände. Die Möbel waren ausgesucht und edel und die Teppiche ungemein weich. Kurz, alles strahlte außerordentlich vor Eleganz und Pracht.
    Ich hatte das Biest nicht getroffen, als ich durchs Schloss gewandert war. Nach meiner Ankunft am Abend zuvor hatte er einen Diener angewiesen, mich unverzüglich in meine Gemächer zu führen. Mir blieb kaum Zeit, mich von meinem Vater zu verabschieden, der mit zwei voll beladenen Kisten nach Hause zurückkehrte. Der Gedanke an die Freude, die meine Familie beim Auspacken empfinden würde, stimmte mich froh und glücklich.
    In dieser ersten Nacht tat ich kein Auge zu. So lag ich da und dachte nach. Über mein bisheriges Leben und über das, was nun kommen würde. Die Stunden vergingen quälend langsam, und ich traute mich auch nicht, meine Gemächer zu verlassen. Erst am nächsten Tag wagte ich es, und ich wanderte von Raum zu Raum, ohne auch nur einer Menschenseele zu begegnen.
    Gegen Abend verkündete ein heller Glockenschlag, dass es nun Zeit war, sich in den Speisesaal zu begeben. Hier traf ich das Biest wieder. Trotz seiner Furcht einflößenden Erscheinung und seiner rauen Stimme war ich angenehm überrascht: Er war ein formvollendeter Gastgeber, höflich und zuvorkommend, und wir verbrachten dieses Abendessen mit angenehmer Konversation und Speisen und Getränken, die dem Gaumen schmeichelten.
    Und dann, nachdem die Teller und Platten abgeräumt waren, beugte das Biest sich ein Stück nach vorn und sah mich über den Tisch durchdringend an. “Willst du mich heiraten, Schöne?”, fragte er.
    Ich starrte ihn an. Was sollte ich darauf nur erwidern? Mein Herz hämmerte wild in meiner Brust. Doch obwohl ich sorgsam darauf bedacht war, das Biest nicht zu verärgern, gelang es mir irgendwie, “Nein” zu flüstern.
    Das Biest nickte nur düster. “Nun gut.” Seine Stimme klang, als hätte er meine Antwort schon erwartet. Dann verließ er jäh den Speisesaal.
    Erleichtert darüber, dass ich das Biest mit meiner Zurückweisung nicht gereizt hatte, verließ auch ich den Raum, um mich zur Nachtruhe zu begeben.
    Habe ich etwa vergessen, mein Schlafgemach zu beschreiben? Hierfür die passenden Worte zu finden fällt
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