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Bisduvergisst

Bisduvergisst

Titel: Bisduvergisst
Autoren: Friederike Schmöe
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da konnte ich nichts zusetzen. Solange ich mit der Irma herumzog, habe ich mich stark gefühlt. Die Irma hatte vor nichts Angst! Die hat sich mit den Jungen geprügelt, wenn es sein musste. Aber als die Irma sich nur noch mit der Lisa befasst hat, stand ich plötzlich dumm da. Und einige aus der Stadt haben sich erinnert, dass sie mit mir noch nicht fertig waren. Ich hatte keine leichte Zeit.
    Die Lisa also. Die hat ja dem Gustav schöne Augen gemacht. Sie tat schüchtern und vornehm, aber in Wirklichkeit war sie durchtrieben! Der Gustav konnte sich noch nie beherrschen. Wenn es um ein schnelles Vergnügen ging, meine ich. Schon als junger Bursche nicht. Je älter er wurde, desto weniger konnte er widerstehen. Da hat er der Lisa mal ein Angebot gemacht. Die Lisa, die lebte ja bei der Irma, neben den Kirchlers. Der Gustav hatte die Lisa jeden Tag vor Augen.
    Und dann ist was passiert. Die Lisa kam vom RAD nicht mehr heim. Die Irma kam, die Lisa nicht. Niemand hat gefragt. Der Irma ging es hundsmiserabel. Sie hatte eine entzündete Wunde am Arm. Hohes Fieber. Sie wäre beinahe abgekratzt. Obwohl ich mir gleich gedacht habe, die schafft das. Der Irma konnte nichts was anhaben!
    Der Gustav kam damals angelaufen. Hat gesagt, dass Lisas Leiche an der Straße liegt. Die Irma hat sich noch heimgeschleppt. War vollkommen fertig. Heutzutage hätte man sie zum Psychologen geschickt. Damals musste jeder von uns sich seinen Weg suchen, mit den Dingen umzugehen. Vielleicht ist die Irma heute dement, weil sie zu viele Filter um sich herum aufgebaut hat. Die wollte zu viel vergessen. Also hat ihr Kopf ganz von selbst damit angefangen.
    Nein, niemand hat die Irma genauer gefragt, was eigentlich los war. Damals sind so viele Leute umgekommen. Man hat Lisas Leiche heimgebracht. Ihre Mutter ist darüber zerbrochen. Ist bald, nachdem die Amis hier waren, nach München zu ihrer Schwester zurückgegangen. Und die Irma hat weitergemacht. Hat sich erholt, für die Amerikaner gedolmetscht. Dann hat sie ihren Ami geheiratet und ist weg. Bis sie wiederkam. Mit einem Kind. Elizabeth. Das sagt alles, oder? Dass sie ihrer Tochter den Namen ihrer besten Freundin gegeben hat.
    Erst Jahrzehnte später, unsere Kinder waren längst aus dem Haus, hat der Gustav mir erzählt, wie alles gekommen ist. Dass er die Lisa getötet hat. Aber er hat es nicht gewollt! Das müssen Sie ihm glauben! Er hat sich selbst schützen wollen. Und die Irma und letztlich auch die Lisa. Er hatte Angst vor dem Neugruber. Das war ein Spinner, dem war nicht zu trauen. Der hätte die beiden Mädchen ohne Zögern umgebracht. Schneller als ein Auge hätte zwinkern können. Der Gustav hat nicht einmal bemerkt, dass die Lisa mit der Nase im Wasser lag. Immer und immer wieder hat er mir das gesagt. Ich glaube ihm. Er ist mein Mann. Für mich war es ein glücklicher Zufall, dass die Lisa nicht wiederkam. Sonst hätte der Gustav sich über kurz oder lang für sie entschieden. Da mache ich mir keine Illusionen. Mit der Lisa konnte ich nicht mithalten.
    Mit der Irma hatte ich dann von Zeit zu Zeit zu tun. Sie hat sich in Landshut in alles eingemischt. Auch in die Hochzeit. Für unsere Landshuter Hochzeit hat sie viel gemacht. Das kann ich anerkennen, keine Frage. Doch mit ihr noch mal auf du und du, das war nicht mehr drin. Nicht für mich.
    Aber dann kam ihre Enkelin her: Julika.
    Die hat mich sofort an die Lisa erinnert. Mit dieser hellen Haut und den schönen Haaren. Als ich sie das erste Mal sah, da dachte ich: Das ist die Lisa. Ein ganz seltsamer Augenblick. Als wäre ich wieder selber jung, wäre zurück in dieser schrecklichen Zeit.
    Die Julika hat ihre Nase in alles reingesteckt. Sich für Lisas Tod interessiert. Die hat den Enkel vom Neugruber gefragt und ein paar andere Leute, die kam mit vielen zusammen. Wie sie überhaupt auf die Lisa, auf die Geschichte um ihren ungeklärten Tod gestoßen ist, das konnte ich mir zuerst nicht erklären. Aber ich glaube, es hat mit der Irma zu tun. Die Julika hat gespürt, dass ihre Oma an einer alten Geschichte litt. Sie hat rausgekriegt, worum es in etwa ging. Aber sie hat nicht alles erfahren. Nur Ansatzpunkte. Hat wohl nicht an Irmas Schuld geglaubt. Deshalb hat sie zu schnüffeln angefangen. Hat auch den Gustav angequatscht. Das habe ich natürlich mitgekriegt. Die Lisa auf unserem Hof – das war ein Albtraum für mich. Pardon, es war ja nicht die Lisa, es war die Julika. Wissen Sie, ich habe in der Julika immer nur die Lisa gesehen.
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