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Bisduvergisst

Bisduvergisst

Titel: Bisduvergisst
Autoren: Friederike Schmöe
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mach dich kalt. Ich mach dich kalt!«

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    »Ich habe die Verfolgung aufgenommen«, sagte eine wohlbekannte weibliche Stimme. Leitner hielt sich das Handy ein Stück vom Ohr weg.
    »Wo bist du, Yoo Lim?«
    »Im Wald. Over and out.«
    »Die spinnt«, sagte Leitner. »Ich möchte verdammt noch mal wissen, was der Hallhuber hier getrieben hat.«
    »Und wann der Notarzt kommt.« Nero und Leitner hatten Kreuzkamp aus dem Keller ins Freie geschafft. Er atmete ruhig, zitterte kaum noch, hielt die Augen geschlossen. Schien ab und zu wegzudämmern, woraufhin Nero ihn anherrschte, sich zusammenzureißen.
    »Der findet nicht her«, blaffte Leitner. »Das kommt öfters vor. Neulich stand ein Artikel darüber in unserem Blatt.«
    Kreuzkamp schien die Unterhaltung mitverfolgt zu haben. Er stöhnte.
    »Wir fahren ihn selbst ins Krankenhaus«, bestimmte Nero. »Los, anfassen, Leitner. Wir tragen ihn zu Ihrem Wagen.«
    Er wollte sich nicht ausdenken, welche Höllenqualen Kreuzkamp durchlitt, während sie ihn um das Haus herum zum Pick-up trugen. Im Krieg gibt es Morphium für solche Fälle, dachte er. Aber die Blutung war fürs Erste gestoppt. Nur Kreuzkamps totenblasses Gesicht machte ihm Sorgen.
    »Sie fahren ihn«, sagte Nero. »Sie kennen den Weg. Kein Protest! Ich bleibe.«
    Leitner stieg brummend in den Pick-up.
    »Es geht um zwei Leben«, fügte Nero hinzu, als Leitner bereits auf die Straße abbog und davonfuhr. Nero schnappte sich sein Handy und wählte Yoo Lims Nummer, während er zum Haus zurückrannte. Sie meldete sich nicht.

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    »Die Julika, die hat mich gar nicht interessiert!«, machte mein Peiniger weiter. Ich hörte seinen röchelnden Atem und spürte feine Speicheltröpfchen in meinem Gesicht. »Ich hatte nichts zu tun. Die Typen waren in der Bude da unten. Ich musste ja bloß abwarten, bis bei denen alles erledigt ist. Dann hätte ich mein Geld gekriegt. Da habe ich mit dem Alfi gewettet, wer die Julika als Erster flachlegt. Aber es war mir eigentlich scheißegal.«
    Mein Augenlid schwoll spürbar an. Selbst wenn ich blinzeln wollte, hätte ich keine Chance mehr. Der Vorhang war blickdicht.
    Zweige knackten. Er drehte sich um. Die Indianerin war weg.
    Sowieso Blödsinn. Da konnte keine Indianerin sein. Wieso überhaupt Indianerin? Mein Auge schmerzte wie verrückt.
    »Dann haben Sie die Julika umgebracht«, murmelte ich, streckte mich auf dem Boden aus und presste mein heißes Gesicht in das kühle Laub. Ameisen liefen über meine Beine und Arme.

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    »Verstärkung ist unterwegs«, sagte der Gruppenführer vom SEK.
    »Warum, verdammt, dauert das so lange?«, schnauzte Nero.
    »Wissen Sie, was hier los ist?«
    »Landshuter Hochzeit, nehme ich an«, fluchte Nero. Er legte auf. Konnte das Wort ›Hochzeit‹ nicht mehr hören. Zog seine Dienstwaffe und machte sich auf in den Wald. Als er den Hang ein gutes Stück hinaufgestiegen war, immer auf der Suche nach Spuren einer Flucht, eines Kampfes, nach abgeknickten Zweigen, Fußabdrücken, hielt er inne und sah auf das Haus zurück. Seltsame Methode, das Erdgeschoss zu verrammeln und den Rest dem Verfall zu überlassen. Nero sah einen dunklen Van an der Straße halten. Er stand auf und winkte. Drückte auf Wiederwahl und sagte: »Ihr seid richtig. Das ist das Haus.«
    »Wir sind noch auf der Autobahn«, kam es zurück. »Oder liegen wir jetzt total falsch?«
    Nero ließ das Handy sinken und kauerte sich hinter einen Baum. Der Wagen machte keine Anstalten, in die Zufahrt zum Haus einzubiegen.
    Da stimmt was nicht, dachte Nero. Da stimmt was nicht. Sieh dich vor. Mach gar nichts. Etwas geht schief, etwas eskaliert, hier läuft etwas ganz Neues. Etwas, das du nicht kennst. Nero duckte sich und huschte den Hang ein Stück hinunter. Hielt hinter einem Haselnussbusch und verbarg sich zwischen den Zweigen.
    Der Van hielt für einige Minuten, vielleicht auch nur Sekunden. Nero kam es vor wie eine Ewigkeit. Wie vor einer Prüfung oder einer Pressekonferenz.
    Dann raste der Wagen los, hinauf ins Dorf. Mit quietschenden Reifen.

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    »Haben Sie Julika umgebracht?«, flüsterte ich.
    Er stand über mir. Zielte mit der Pistole auf meinen Kopf. Auch mein unverletztes Auge begann zu tränen. Ich versuchte, seinem Blick standzuhalten. Mit einem Tritt in den Nacken hatte er Julika ermordet.
    »Habe ich nicht. Die Julika war mir völlig wurscht.«
    Ich keuchte. Sein Fuß stand auf meinem Brustbein. Es würde nicht mehr lange Widerstand leisten. So ein bisschen Knochen und Knorpelmasse
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