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Bisduvergisst

Bisduvergisst

Titel: Bisduvergisst
Autoren: Friederike Schmöe
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gegen die gedrungene Kraft eines Muskelpakets …
    »Ich kriege keine Luft«, keuchte ich. Von weit her hörte ich Reifen quietschen. Die Sache war gelaufen, der Käse gegessen. Ich konnte einpacken. Wenigstens hatte ich noch einmal die Liebe erlebt. Oder sie mir auch nur erfunden. Egal, es war nicht wichtig. Magensäure schoss in meinen Mund. Ich hustete. Über mir in der Luft schwebte die Pistole an der zitternden Hand eines Mannes, der auf der letzten Rille pfiff.
    »Waffe weg!«, brüllte jemand. Eine weibliche Stimme. Nicht Nero, nicht Leitner, dessen lautes Gebell ich erkannt hätte.
    »Waffe weg!«
    Das kalte Auge über mir zuckte.
    Ich warf mich herum.
    Schuss. Laut! Macht nicht auch noch meine Ohren kaputt.
    Und Schuss.
    Wie auf dem Schießstand. Ich presste beide Hände auf meine Ohren.

68
    Nero drückte erneut die Wiederwahltaste.
    »Was ist denn?«, motzte der SEK-Mann.
    »Nähert euch auf keinen Fall dem Haus.«
    »Was ist denn nun wieder los?«
    Nero starrte auf das Haus unter ihm. Es sendete etwas Bedrohliches, Finsteres aus. Instinkt. Es war nur Instinkt. Das unmittelbare Erkennen von Gefahr. Er setzte an, zu antworten. Sein Mobiltelefon piepte zweimal. Auf dem Display erschien ›Akku laden‹.
    Achtlos steckte er das Handy weg. Aus dem Wald hallten zwei Schüsse.

69
    Als ich den Kopf hob und mein unverletztes Auge öffnete, sah ich die Indianerin auf dem Rücken meines Peinigers sitzen. Sie zurrte seine Handgelenke mit Kabelbindern fest.
    Nein, sie war keine Indianerin. Sie war Asiatin, halb so schwer wie ich. Ein Muskelbündel.
    »Sind Sie o. k.?«, fragte sie nur.
    Ich hatte den Eindruck, sie bohrte ihr spitzes Knie mit Absicht fest in den Rücken des Irren.
    »Nein. Ich habe einen Splitter im Auge.«
    Sie hielt ein Handy in der Hand. »Verdammt, wo steckt ihr alle?«, blaffte sie und erinnerte mich dabei deutlich an Leitner.
    »Wer sind Sie?«, fragte ich.
    »Yoo Lim Pak. Ich bin Leitners Kollegin. Kripo Landshut. Der Kumpel vom LKA geht auch nicht an sein Handy.«
    »Wer ist das?« Ich wies mit dem Kinn auf den Mann, der am Boden lag. »Er hat den Typen dort unten in dem Haus abgemurkst.«
    »Welchen Typen?« Yoo Lims Augen wurden noch schmaler, noch dunkler, noch schöner.
    »Einen gewissen Alfi.«
    »Alles klar. Kleines Geständnis abgelegt, was, Hallhuber? Hast du auch die Julika auf dem Gewissen?«
    Hallhubers Atem ging rasselnd.
    »Dem geht’s nicht gut«, sagte ich. Nicht, dass ich Mitleid empfunden hätte. Aber es war nicht zu leugnen, dass der Mann an schwerer Atemnot litt.
    »Kommen Sie bis runter zur Straße? Schaffen Sie das?«, fragte mich die Polizistin, deren Namen ich längst wieder vergessen hatte.
    Ich nickte und richtete mich auf.
    Eine ungeheuerliche Detonation erfüllte meine Ohren. Der Krach überwältigte mich. Ich fiel auf den Rücken wie ein Käfer.

70
    Die Druckwelle warf Nero um. Er ging zu Boden wie ein Opernheld. Seine Stirn streifte etwas Hartes. Dann war die Welt lange Zeit ganz still. Auf der Erde liegend spürte er feine Vibrationen, wie von einem Beben.
    Staub, Dreck, Gestank.
    Als er sich nach einer Weile aufrichtete, gellte ein böser Pfeifton in seinen Ohren. Unwillkürlich versuchte er es mit Kaubewegungen, wie im Flugzeug.
    Das Haus stand nicht mehr.

71
    Die Polizistin hatte Hallhuber in die Senkrechte befördert. Mit vorgehaltener Waffe zwang sie ihn zum Rückweg. Ich stolperte hinterdrein.
    »Asthmaspray«, keuchte er. »In meiner Hosentasche.«
    Sie angelte den Inhalator heraus und presste ihn zwischen seine Lippen.
    »Los, lauf. Bis zur Straße musst du es schon schaffen.«
    Ich wollte grinsen, aber mein Gesicht tat zu weh. Der Schmerz aus dem Auge breitete sich bis zu den Ohren und zum Kinn aus. Ich wischte die Ameisen von meinen Armen. Sie liefen mir über den ganzen Körper, ich spürte sie in meinen Ohrmuscheln, unter dem Slip, im BH.
    Meine Reisen nach Indien hatten mich eines gelehrt: Es lohnte nicht besonders, sich über Dinge aufzuregen, die ohnehin nicht zu ändern waren. Alles war schon viele Male geschehen und würde sich in ähnlicher Weise noch viele weitere Male so abspielen. Vielleicht waren die Ameisen in einem ihrer vorherigen Leben Menschen gewesen und hatten sich mit all den verrückten Problemen abgeplagt, die man als Mensch so haben konnte. Vielleicht war eine von denen, die mir über das Ohrläppchen krochen, Kea gewesen.

72
    Als ich erwache, liegst du neben mir. Mit dem Gesicht in einer Pfütze. Es ist hell. Ich höre das
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