Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bisduvergisst

Bisduvergisst

Titel: Bisduvergisst
Autoren: Friederike Schmöe
Vom Netzwerk:
gesagt, die hätte schon mal mit einem Jungen geschlafen. Aber vielleicht war das auch nur ein Gerücht und das haben die anderen erzählt, damit ich nicht der erste sein konnte. Den Sieg wollten sie mir nicht gönnen.
    Als ich versucht habe, der Evi den Schlüpfer runterzuziehen, hat sie plötzlich gewimmert. Ganz leise. Ich konnte es fast nicht hören. Ich habe ihr zärtliche Sachen ins Ohr geflüstert. Habe gedacht, dann hört sie auf zu jammern. Aber weil sie nicht aufgehört hat, habe ich sie fester rangenommen, ich habe sie geschüttelt und sie angeschrien, sie soll ruhig sein, und dann habe ich den Schlüpfer in einem Ruck runtergezogen und die Evi umgedreht, mit dem Gesicht gegen die Scheunenwand, und wollte in sie rein.
    Und da kam die Lisa.
    Die wollte zum Abort, über den Hof eben. Ich habe gar nicht gewusst, dass sie an diesem Tag bei der Irma zu Besuch war. Aber die kam ja oft, weil ihre Mutter in München durchdrehte, wegen der Bomben und so. Später hat sie dann bei der Irma gewohnt. Seit wann, das weiß ich nicht mehr genau.
    Jedenfalls kam die Lisa um die Ecke und hat mich gesehen, wie ich der Evi die Pobacken auseinanderdrücke, und sie ist auf mich losgegangen wie eine Furie. Das war eigentlich alles. Ich habe die Evi losgelassen, die ist davongelaufen. Von da an ist sie mir ausgewichen, wenn sie mich irgendwo gesehen hat. Kann ich ja auch verstehen. Ein paar Jahre nach dem Krieg ist die Evi gestorben. Bei einem Unfall. Das hat mir leid getan.
    Aber die Lisa hat mich richtig bedroht. Die hat gesagt, sie vernichtet mich, ich sollte nur aufpassen. Sie hätte alles gesehen. Eigentlich habe ich keine Angst gehabt. Nicht vor der Lisa. Sie war so zart, so schön, der hätte ich nicht zugetraut, dass sie irgendwo hingeht und mich verpfeift. Das war eine Hundertfünfzigprozentige, die Lisa. Die war hingerissen vom Führer. Der hat ja die Weibsbilder reihenweise betört. Darum habe ich ihn damals beneidet. Obwohl er ja nicht gerade fesch war. Eigentlich war er ein ziemlich hässlicher Kerl.
    Kurz darauf mussten die Irma und die Lisa weg aus Landshut. Zum Reichsarbeitsdienst. Da war ich ziemlich erleichtert. Ich habe den ganzen Winter nichts gehört von den beiden.
    Im April 1945 bekamen wir alle kalte Füße. Da kam eines Tages der Neugruber Martin zu mir und meinte, Mensch, du kommst mit uns raus, wir suchen Defätisten und Volksschädlinge. Er hat mir ein Gewehr gegeben, und ich bin mit ihm und einigen anderen durch die Nächte gezogen. Ich hatte richtig Angst, dass wir Deserteure aufspüren und der Neugruber mich zwingt, einen zu erschießen. Der hätte das gemacht, der war ein Sadist. Später hat er dann als Kammerjäger gearbeitet. Der Beruf hat zu ihm gepasst.
    Eines Nachts bin ich vom Neugruber-Trupp getrennt worden. Das kam so: Wir haben ab und zu ein Kaninchen geschossen. Der Neugruber hat ein Auge zugedrückt, wenn er auch was abgekriegt hat. Das heißt, was er geschossen hat, war für ihn, aber wenn wir anderen was erwischt haben, bekam er einen Anteil. Meine Mutter war in den letzten Kriegswochen sehr schwach. Sie hatte später eine Lungenentzündung, und ein Arzt von den Amis, der hat sie behandelt. Die Amis haben auch Deutsche behandelt. Irgendwie waren das anständige Kerle. Die meisten jedenfalls. Aber bevor der Krieg zu Ende war, hatten wir kaum noch was zu essen. Verkeimte Kartoffeln, schrumpelige Rüben. Deswegen habe ich in der Nacht, als ich später die Irma und die Lisa getroffen habe, den Neugruber gebeten, dass er mich weglässt, auf die andere Seite vom Wald, weil ich wusste, wo es Kaninchen gibt. Ich glaube, der Neugruber mochte meine Mutter ganz gern. Er war kein Unmensch. Also war er einverstanden. Aber ich hab keine Kaninchen erwischt, dann war die Munition alle, und ich bin über die Landstraße und wollte zum Neugruber und seinen Leuten stoßen. Und da habe ich die Irma getroffen. Und die Lisa.
    Die hatten Todesangst, als sie mich sahen. Lagen zitternd im Graben. Der Irma ging es furchtbar schlecht. Die glühte vor Fieber. Aber die Lisa, die hat mich angesehen. Ich habe gedacht, die beiden sind vom RAD stiften gegangen. Wenn der Neugruber sie findet, sind sie fällig. Aber das wollte ich nicht. Das wollte ich wirklich nicht. Die Irma hat dann gesagt, die Maidenführerin hätte sie heimgeschickt, und ich habe ihr das geglaubt. Wobei der Neugruber ein Fanatiker war. Ich dachte jedenfalls, besser, der begegnet den Mädchen nicht. Dann kam vom Wald her ein Schuss. Oder zwei, ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher