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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge
Autoren: Richards Emilie
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Dame?“
    „Ich war schon mit drei eine erfahrene, reife Dame.“ „Dann komm, alte Dame. Ich werde dich begleiten.“ Hand in Hand folgten sie den beiden Mädchen. New Orleans war ein Ort, an dem man auf den Stufen hockte, sobald es abends kühler wurde. Ein Ort, an dem der erste Hauch kühlerer Abendluft dankbar von unzähligen Lungen aufgesogen wurde, die den ganzen Tag nur darauf gewartet hatten. An diesem Abend saßen alte Menschen zusammen und erinnerten sich an früher, und junge Menschen schufen ihre eigenen Erinnerungen.
    Belindas Nachbarschaft war nichts Besonderes. Um einige der kleineren Häuser kümmerten die Besitzer sich gut. Der Rasenin den Vorgärten war ordentlich gestutzt, die Häuser waren frisch gestrichen. Andere Gebäude zeigten deutlich, dass dem Besitzer die Hoffnung und die Energie fehlten, um sie zu pflegen. Das schlimmste Beispiel dafür befand sich eineinhalb Blocks entfernt auf einem großen Eckgrundstück. Phillip und Belinda standen mit dem Rücken zu dem heruntergekommenen Haus und beobachteten, wie Amy und ihre Schwester über die Straße liefen, durch Gärten sausten und schließlich auf eine Veranda gingen, auf der sich unzählige Kinder tummelten.
    „Das hier ist das traurigste Haus in der Straße“, murmelte Belinda und drehte sich um.
    Phillip wandte seine Aufmerksamkeit dem Haus zu. „Wie kommst du darauf?“
    „Weil es das größte Potenzial hat! Aber es steht schon immer leer, wenigstens seit ich hier lebe. Irgendwann war es mal zu verkaufen … Wahrscheinlich ist das noch immer so, es macht sich nur niemand die Mühe, ein Schild aufzustellen. Im letzten Monat waren Hausbesetzer hier, bevor die Polizei sie vertrieben hat, aber sie werden wiederkommen. Regen wird durch die zerbrochenen Fenster fallen, schon bald wird das Holz verfaulen, und die Stadt wird das Haus abreißen. Und dann wird hier ein freies Grundstück sein, auf dem Müll herumliegt. Und niemand wird darauf bauen.“
    Phillip interessierte sich nicht besonders für Häuser. Solange er ein Dach über dem Kopf hatte, war er zufrieden. Er blieb nie lange genug an einem Ort, um sich nähere Gedanken über dieses Thema zu machen. Doch er konnte sich vorstellen, dass Belindas Vorhersage eintraf, und das war eine Schande. Das Haus war früher das schönste im Viertel gewesen, zweigeschossig und mit kunstvollen Schmiedearbeiten versehen, die die breiten Veranden im Erdgeschoss und im ersten Stock säumten.
    „Wer auch immer dieses Haus gebaut hat, hatte Träume“, sagte Belinda.
    „Was meinst du damit?“
    „Siehst du diese formvollendeten gusseisernen Ornamente? So etwas sieht man in dieser Straße nicht oft. Eine Frau hat dieses Haus gebaut. Eine starke Frau, die wusste, was sie wollte.“
    Er legte seine Arme um sie und lehnte sein Kinn an ihren Kopf. „Stellst du dir das nur vor? Oder kennst du die Geschichte?“
    „Du musst dir nur das Haus ansehen, um es zu wissen.“ „Vielleicht braucht es nur eine starke Frau mit einer starken Fantasie, um es zu sehen.“
    „Es braucht eine starke Frau, um Träume wahr werden zu lassen.“
    Er dachte an die starke Frau, die er heute Abend getroffen hatte. „Ich habe heute einen sehr seltsamen Anruf bekommen.“
    Sie wandte den Kopf, sodass sie ihn ansehen konnte. „Hast du?“
    Donner grollte und nahm ihm die Möglichkeit zu antworten. Während sie abwarteten, dass der Donner verhallte, fielen die ersten Regentropfen. Er ergriff ihre Hand, und sie hasteten zurück zu ihrem Haus.
    Auf der Veranda schüttelte er den Kopf, dass die Tropfen nur so flogen. Dann schlang er wieder seine Arme um sie.
    „Es sieht so aus, als würde ich eine Weile bleiben.“
    „Und wo willst du in der Zeit wohnen?“
    „Ich dachte, ich bleibe hier. Falls du mir Unterkunft gewährst.“
    Sie sagte nicht Ja, denn das musste sie nicht. Phillip wusste, dass er willkommen war. Vieles zwischen ihnen war unausgesprochen, aber einige Dinge waren klar.
    „Dann erzähl mir von dem Anruf“, sagte sie.
    „Ich erzähle dir drinnen davon.“
    „Das wirst du auch müssen, denn hier draußen wird esgerade sehr kalt, und deine Arme reichen nicht, um mich zu wärmen.“
    „Tun sie nicht?“ Er lächelte ihr zu. „Bist du dir da sicher?“ Er neigte den Kopf und küsste ihre Wange, bis Belinda resigniert seufzte. Ihre Lippen fühlten sich weich an.
    In seinem Leben hatte es schon andere Frauen gegeben, mehr Frauen, als ihm im Gedächtnis geblieben waren. Doch keine von ihnen war so verführerisch
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