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Bis zum Ende der Welt

Bis zum Ende der Welt

Titel: Bis zum Ende der Welt
Autoren: Norbert Zähringer
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her.
    «Hast du schon eine Antwort?», fragte sie.
    «Noch nicht.»
    «Wir sollten morgen früh versuchen, ein Foto zu machen.»
    Laska nickte matt. «Ja, sollten wir.»
    Sie konnte es kaum erwarten, dass der Tag vorüberging, doch wie es so ist, wenn man sich wünscht, dass die Zeit schnell vergeht, schien sie sich bis ins Unendliche zu dehnen. Am späten Nachmittag machte Anna, was sie lange nicht mehr gemacht hatte: Sie schaltete den Fernseher ein.
    Sie verstand die portugiesische Kommentatorin nicht, aber ihr wurde klar, dass etwas Schreckliches geschehen war. Sie sah ein weinendes Mädchen, das, in eine Decke gehüllt, inmitten von Trümmern stand, einen Fischtrawler, der in einer zerstörten Stadt auf der Straße lag.
    Laska kam die Treppe herunter. «Was Neues in der Welt?», fragte er.
    «Es hat ein Erdbeben gegeben, in Japan, glaube ich.» Sie drehte sich um.
    Sein Gesicht war aschgrau, er wankte.
    «Alles klar?», fragte sie.
    «Ja, ich bin nur etwas müde.»
    «Stimmt was nicht?»
    «Ich weiß nicht. Sind wohl die Nebenwirkungen.»
    «Aber du hast doch Tabletten dagegen?»
    «Ja», sagte er zögernd.
    «Du hast keine Tabletten mehr.»
    «Ich dachte, es geht ohne.» Er ließ sich aufs Sofa fallen, zitterte. «Ich fahre gleich los. Und hole die verdammten Pillen.»
    «So kannst du nirgendwo hinfahren.»
    «Doch, kann ich.»
    «Ich fahre.»
    «Die wollen den Ausweis sehen.»
    «Dann fahren wir zusammen.»
    «Hast du denn einen Führerschein?»
    Sie seufzte. «So seid ihr Deutschen. Es geht um die Wurst, und ihr wollt die Papiere sehen.»
     
    Sie war lange nicht mehr gefahren und hatte einige Mühe, den schweren Wagen aus der Garage auf die Straße zu manövrieren. Aber irgendwann lag der Mercedes in der Spur und rollte wie von selbst. Laska saß schweigend auf dem Beifahrersitz.
    «Warum haben sie dir noch nicht geantwortet?», fragte sie unvermittelt.
    «Sie wollen immer eine zweite Beobachtung. Oder ein Foto des Kometen.» Er beugte sich nach vorn. «Ist bewölkt. Morgen früh wird das nichts.»
    «Wie schnell bewegt er sich?»
    «Ein Vollmondradius pro Nacht, vielleicht zwei. Die Frage ist nicht, wie schnell, sondern in welche Richtung.»
    «Wenn wir ihn heute oder morgen nicht noch mal sehen, finden wir ihn nie wieder.»
    Laska erwiderte nichts.
    «Du hast heute früh nichts gesehen, stimmt’s?», fragte Anna.
    «Deine Augen sind besser als meine.»
    «Und du hast auch niemandem eine E-Mail geschickt. Glaubst du, dass ich dich angelogen habe? Dass ich dich absichtlich angelogen habe, damit –»
    Anna bremste. Eine Katze überquerte vor ihnen die Straße, verharrte kurz vor dem Wagen, bevor sie schnell zur anderen Seite huschte und unter einem Oleanderstrauch verschwand.
    «Kennst du Schiaparelli?», fragte Laska leise. «Ende des neunzehnten Jahrhunderts beobachtete er den Mars so lange, bis er glaubte, auf der Oberfläche linienartige Strukturen zu erkennen, die bislang niemand entdeckt hatte. Er behauptete, nur derjenige, der über ausreichende Beobachtungserfahrung verfüge, könne sie sehen. Nach einer Weile bestätigten andere Astronomen seine Entdeckung und spekulierten darüber, ob diese ‹Kanäle›, wie sie nun genannt wurden, künstlichen Ursprungs seien. In den Zeitungen erschienen lange Artikel über die Marszivilisation, Romane wurden geschrieben, die davon handelten, dass die Marsianer die Erde erobern, in den USA baute man eigens ein Observatorium, um die Kanäle zu erforschen. Das Problem war nur – es gab gar keine. Eine optische Täuschung, nichts weiter. Möglicherweise hatten Schiaparelli und seine Kollegen, nachdem sie so viele Nächte hinter ihren Teleskopen verbracht hatten, nur verwaschene Punkte wahrgenommen, die ihre müden Augen zu Linien verbanden. Mir ist das so ähnlich auch schon passiert. Es ist ganz normal.»
    «Meine Augen sind besser als deine», erwiderte Anna und bog auf den Parkplatz des Einkaufszentrums ein. Er war nahezu leer. «Soll ich dir beim Aussteigen helfen?», fragte sie.
    «Nein.» Er war verärgert. «Geht mir schon besser.»
    Ein Glockenspiel erklang, als die automatische Tür vor ihnen aufging und sie die Apotheke betraten.
     
     
    Es waren zwei. Auf dem Bildschirm, auf den Santos zeigte, war der Verkaufsraum der Apotheke zu sehen. Eine Angestellte bediente die Mutter mit dem Kind, eine zweite einen älteren Mann und eine junge Frau. Die junge Frau kam mir bekannt vor, aber ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, wo ich sie schon einmal
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