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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein
Autoren: Vincent Kliesch
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Maire. Auf der Rettungsweste hatte der Täter zudem nämlich mit einem schwarzen Lackstift eine Zahl hinterlassen: die Vier.
    Während Boesherz in die kraftvollen Melodien Bizets vertieft war, erreichte er schließlich den Tatort, an dem kurz zuvor das mittlerweile vierte Opfer der Mordserie aufgefunden worden war. Die Schutzpolizei hatte das Gebäude, vor dem der Tote lag, bereits weiträumig abgesperrt, und auch die ersten Journalisten waren längst eingetroffen. Boesherz wartete noch einen Augenblick, bis die Arie Habanera verklungen war, bevor er schließlich die Lenkradheizung abschaltete, den Motor seines Phaeton durch Betätigung des Stopp-Knopfes ausschaltete und schließlich in die Kälte ausstieg, um sich voll Neugier dem Tatort zu nähern.

4
    » Du bist ja heute noch schicker als sonst«, begrüßte Olivia ihren Kollegen. » Gibt es einen besonderen Grund?«
    Olivia Holzmann war Oberkommissarin beim LKA Berlin. Sie war eine sportliche Frau, etwas burschikos, dabei aber niemals unweiblich. Ihr dunkles, schulterlanges Haar trug sie meist offen, und ihre wachen, hellbraunen Augen schminkte sie ebenso unaufdringlich wie den Rest ihres markanten Gesichts. Bis vor Kurzem hatte sie stets einen leichten schwarzen Seidenschal um den Hals getragen, seit einigen Tagen tat sie dies aber nicht mehr. Nachdem Severin seine Stelle in der Hauptstadt angetreten hatte, war die ehrgeizige Olivia gleich bei dessen erstem Einsatz an der Seite des Neuen gewesen. Die nüchtern analytische, oft befremdlich wirkende Art des Rheingauers war ihr dabei immer wieder aufgestoßen. Sie hatte sich jedoch vorgenommen, die Eigenheiten ihres kultivierten, stets Krawatte tragenden Kollegen zunächst nur still im Auge zu behalten, bevor sie sich ein Urteil darüber bilden wollte. Schnell hatte sie erkannt, dass Boesherz ihre Geduld dabei auf eine harte Probe stellen würde.
    » Was würdest du denn annehmen?«, antwortete Boesherz ihr trocken, während er dabei über das Absperrband kletterte und zügig auf die Plane zuging, mit der die Leiche des Opfers abgedeckt war.
    » Du hattest ein Date«, schlussfolgerte Holzmann mit einem Ausdruck von Freude, der aber schnell Gewissensbissen wich. » Sag bloß nicht, ich habe es dir kaputt gemacht.«
    » Im Gegenteil. Du hast mich gerettet!«
    Olivia war enttäuscht.
    » Wieder nichts? Die wievielte war das jetzt, seit du in Berlin bist?«
    » Die fünfte. Sah gut aus, war aber geizig. Mit knauserigen Frauen hat man keinen Spaß.«
    » Dieses Mal also Geiz«, resümierte Olivia. » Ich nehme an, sie hat sich wieder mit irgendwas verraten?«
    » Sie hatte eine gefälschte Prada-Tasche.«
    » Sie hat dir erzählt, dass ihre Tasche gefälscht ist?«
    » Die Nähte haben es mir erzählt. Schlecht verarbeitet, würde bei einem Original niemals vorkommen. Außerdem hat sie die Speisekarte von rechts nach links gelesen. Erst die Preise, dann das Gericht dazu.« Boesherz schmunzelte mit unterdrücktem Stolz, als er hinzufügte: » Ich habe ihr die Geschichte von dem Franzosen und den Ratten erzählt. Ich glaube nicht, dass sie sich noch mal mit mir verabreden möchte.«
    » Das hast du nicht getan«, setzte Olivia nach, während Boesherz sich jetzt der Leiche unter der Plane zuwandte. Anstatt weiter auf seine missglückte Verabredung einzugehen, fragte er: » Wen haben wir denn hier?«
    Das Haus, von dem das Opfer in den Tod gestürzt war, hatte acht Stockwerke, lag abseits vom Großstadttrubel in einem ruhigen Randgebiet und war zu jeder Tageszeit problemlos zugänglich. Es schien dem Mörder für seine Pläne hervorragend geeignet gewesen zu sein.
    » Das ist Gereon Voss, ein alter Bekannter«, begann Olivia, die den Personalausweis des Toten bereits hatte überprüfen lassen. » Eigentlich ist er Immobilienmakler, hat eine ziemlich große Firma.«
    » Ein Immobilienmakler?«, wiederholte Boesherz. » Dann ist es ja nicht so schade um ihn. Die braucht sowieso kein Mensch. Was meinst du mit eigentlich?«
    » Die Kollegen nennen ihn den Kletteraffen«, berichtete Olivia. » Er steigt jedes Jahr mindestens einmal auf irgendein hohes Gebäude. Ungesichert und natürlich ohne Genehmigung. Zuletzt haben wir ihn festgenommen, als er am Turm neben der Gedächtniskirche hochgestiegen ist. Das war im vergangenen Sommer.«
    » Die Gedächtniskirche«, wiederholte Boesherz kopfschüttelnd, als ihn Olivias Worte an einen seiner ersten Eindrücke von der Hauptstadt erinnerten. » Ein Sinnbild für Berlin: Sie ist eines
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