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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit
Autoren: P Daschkowa
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einen bequemen Platz in der Ecke ergattert, neben dem Flügel. Er rauchte, lässig auf ein Sofa gelümmelt, lauschte den ausgezeichneten Jazzimprovisationen des Restaurantpianisten und musterte neugierig das Publikum. Er sah aus wie höchstens fünfundvierzig. Auf den ersten Blick wirkte er hässlich, ja unsympathisch. Ein großes dunkles Gesicht mit breiten Wangenknochen und Stupsnase, dünnes, mattes Haar von unbestimmter Farbe, ein schweres Kinn, blasse, aufgeworfene Lippen. Aber er hatte klare blaue Augen, eine reine Stirn und ein wundervolles Lächeln. Mit diesem Lächeln bedachte er Jeanna, die allerdings in keiner Weise darauf reagierte, sondern weiter ihren Kaugummi kaute.
    »Geh was essen, misch dich unter die Leute«, sagte Colt zu ihr und setzte sich auf das Sofa.
    »Nun, was ist?«, flüsterte er ungeduldig, als das Mädchen sich entfernt hatte.
    »Vorerst nichts.«
    »Was heißt das – nichts? Ich hab doch gesagt – jede Summe. Jede! Hast du ihm das erklärt?«
    »Hab ich. Er ist einverstanden.«
    »Und?!« Colts kleine gelbe Augen glänzten, und er schlug seinem Gesprächspartner aufs Knie. »Wie viel also?«
    »Das ist nicht mehr wichtig.«
    »Was heißt das – nicht mehr wichtig?«
    »Er ist tot.«
    »Wer?!«, rief Colt so laut, dass man sich nach ihm umsah.
    »Psss …« Der Dunkle schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf. »Nein, nein, ihm ist nichts passiert, keine Sorge. Lukjanow ist tot.«
    »Ach so.« Colt atmete erleichtert auf, runzelte aber sogleich dieStirn. »Moment mal, wie das so plötzlich? Er war doch noch gar nicht alt und kerngesund, hast du gesagt. Fünfundsechzig, wie ich.«
    »Siebenundsechzig. Akutes Herzversagen.«
    »Und wie weiter?«
    »Wir werden weiterarbeiten.«
    »Mit wem?«, fragte Colt besorgt.
    »Mit ihr.« Der Mann lächelte.
    Ganz in ihr Gespräch vertieft, hatten sie nicht bemerkt, dass die Menge in den Bankettsaal gestrebt war. Durch das nun leere Foyer kam ein großer brünetter Schönling im weißen Smoking wie aus der Werbung angelaufen und sagte, verlegen von einem Bein aufs andere tretend: »Pjotr Borissowitsch, Iwan Anatoljewitsch, entschuldigen Sie bitte, aber dort warten schon alle, Sie möchten bitte kommen, es ist Zeit.«
    »Ja, wir kommen. Wir kommen schon«, erwiderte Colt.
    Bevor er auf die Bühne stieg und Iwan Anatoljewitsch in der ersten Reihe platzierte, drückte ihm Colt die Hand und flüsterte ihm ins Ohr: »Und wenn sie nun auch plötzlich stirbt? Wie alt ist sie?«
    »Erst dreißig, gerade heute geworden.«
    Auf Iwan Anatoljewitschs Gesicht erstrahlte ein sanftes, bezauberndes Lächeln.

Zweites Kapitel
Moskau 1916
    Der 25. Januar war Tanjas Geburtstag. Sie wurde achtzehn.
    Professor Sweschnikow lebte zurückgezogen, konnte Empfänge nicht leiden, besuchte fast nie jemanden und lud auchselten Gäste ein. Aber auf Tanjas Bitte machte er an diesem Tag eine Ausnahme.
    »Ich will eine richtige Feier«, hatte Tanja einige Tage zuvor gesagt, »viele Gäste, Musik und Tanz und keine Gespräche über den Krieg.«
    »Was versprichst du dir davon?«, fragte der Professor erstaunt. »Das Haus voller fremder Leute, Gedränge und Lärm. Du wirst sehen, schon nach einer halben Stunde bekommst du Kopfschmerzen und möchtest alle zum Teufel jagen.«
    »Papa mag keine Menschen«, spottete Wolodja, Sweschnikows ältester Sohn. »Dass er Frösche, Ratten und Regenwürmer misshandelt, das ist Sublimierung nach Doktor Freud.«
    »Danke für die netten Worte.« Sweschnikow neigte den runden grauen Kopf mit dem Igelschnitt. »Der Wiener Scharlatan klatscht dir Beifall.«
    »Siegmund Freud ist ein großer Mann. Das zwanzigste Jahrhundert wird das Jahrhundert der Psychoanalyse, nicht das der Zelltheorie von Sweschnikow.«
    Der Professor lachte spöttisch, klopfte mit einem Löffel ein Ei auf und knurrte: »Zweifellos hat die Psychoanalyse eine große Zukunft. Tausende Gauner werden mit dieser Geschmacklosigkeit einen Haufen Geld machen.«
    »Und Tausende romantische Verlierer werden vor Neid mit den Zähnen knirschen.«
    Wolodja lächelte böse und rollte ein Stück Brot zu einer Kugel.
    »Besser ein romantischer Verlierer sein als ein Gauner oder gar ein modischer Mythenschöpfer. Deine klugen Freunde Nietzsche, Freud und Lombroso beurteilen den Menschen mit solchem Ekel und solcher Verachtung, als gehörten sie selbst einer anderen Art an.«
    »Geht das wieder los!« Der zwölfjährige Andrej verdrehte dieAugen und verzog die Lippen zum Zeichen äußerster
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