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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit
Autoren: P Daschkowa
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»Boris!«
    Keine Antwort. In der Wohnung war es still und dunkel. Nur durch den Spalt unter der Tür zum Arbeitszimmer fiel ein Streifen Licht.
    Boris saß noch immer im Sessel, den Kopf in den Nacken gelegt.
    »Er ist hier eingeschlafen«, seufzte Kira, »ich hätte ihn ins Bett bringen müssen, er konnte sich doch kaum noch auf den Beinen halten.«
    Auf dem kleinen Brett der Stehlampe entdeckte sie ein leeres Wasserglas und ein Pillendöschen. Das Beruhigungsmittel, das Boris ihr bei der Totenfeier für Sofie gegeben hatte.
    »Ach, ich durfte sie nicht nehmen, aber du schon?«, knurrte Kira. »Komm, wach auf, es ist Zeit.«
    Sie berührte seine Schulter, schüttelte ihn und wiederholte immer wieder dumpf: »Boris, Borenka!«
    Er war noch warm, als der Krankenwagen kam. Der Arzt schickte die gelben Kapseln zur Analyse.
    Am gerichtsmedizinischen Institut wurde festgestellt, dass die Kapseln eine komplexe Kombination aus pflanzlichen und tierischen Stoffen enthielten, die eine toxische Wirkung auf das Herz hatte. Der Tod durch Herzversagen konnte nach einigen Tagen oder einigen Stunden eintreten, je nach Dosierung.
    Einer der Experten erinnerte sich, dass ein solches Präparat ein Jahr zuvor als neues Medikament der Gruppe Herzglykoside zum Patent eingereicht werden sollte, doch die Nebenwirkungen waren so erheblich gewesen, dass die Versuche eingestellt worden waren. Geleitet hatte sie der Biologe Professor Dr. Dr. Boris Iwanowitsch Melnik.
Moskau 1918
    Den Rest des Winters über verbrachten Professor Sweschnikow und Fjodor Agapkin erneut ihre gesamte Freizeit im Labor.
    »Wir treten auf der Stelle«, sagte Agapkin, »wir können noch ein Dutzend, noch hundert Ratten impfen, mit dem gleichen Ergebnis. Jede dritte Ratte überlebt und wird verjüngt. Die übrigen sterben. Ich glaube, wir werden nie verstehen, warum.«
    »Ja«, bestätigte der Professor, »das kann Jahre dauern. Wir müssen in Ruhe beobachten, genau untersuchen, Gesetzmäßigkeiten finden.«
    »Bislang sehe ich nur eine Gesetzmäßigkeit. Die Ratten, denen Sie das Präparat injizieren, werden gesund und überleben. Meine krepieren.«
    »Entschuldigen Sie, Fjodor, das ist ein seltsamer Aberglaube von Ihnen, sonst nichts. Ihre Bisswunde am Finger blutet übrigens schon wieder. Wollen Sie behaupten, das sei auch eine Gesetzmäßigkeit? Dass Grigori eine persönliche Antipathie gegen Sie hegt? Dass er sie extra so gebissen hat, dass es nicht verheilt?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Aber ich weiß es. Wie oft waschen Sie sich im Lazarett die Hände? Sie bearbeiten sie ständig mit Ethanol oder Jod. Desinfektion ist natürlich notwendig, aber wie alles in der Medizin hat sie auch einen gegenteiligen Effekt. Die Haut trocknet aus. Der natürliche Schutzmantel wird zerstört, und darum verheilt Ihre Wunde nicht.«
    »Und wie weiter?«
    »Reiben Sie die Hände jeden Abend mit Sanddornöl ein. Ich glaube, wir haben noch ein Fläschchen.«
    »Davon rede ich nicht. Nicht mehr lange, und es wird eine richtige Hungersnot geben. Wir haben schon jetzt nicht mehrgenug Futter für die Ratten. Was tun, wenn eines Tages alle krepieren?«
    »Sie machen sich Sorgen um die Ratten, Fjodor? Haben Sie keine Angst, dass uns dasselbe Schicksal droht?«
    »Alles, was wir von dem Präparat noch haben, steckt im Grunde in den Ratten. Ohne sie können wir nichts reproduzieren.«
    »Darum machen Sie sich mal keine Sorgen. Sehen Sie die drei dunklen Gläschen? Eins enthält Sand, die beiden anderen nichts als getrocknete Rattendrüsen. Ich habe sie vakuumversiegelt. Aber ich glaube, das wäre gar nicht nötig. Ihnen ist egal, wo sie leben. Die Zysten können in jedem beliebigen Milieu unendlich lange überdauern, sogar wenn sie gekocht oder tiefgefroren werden. Nur für uns sind Hunger, Kälte, Verhaftungen und Erschießungen lebensbedrohlich. Die Zysten warten einfach seelenruhig ab, fünfzig, hundert, tausend Jahre, und erwachen wieder zum Leben, wenn sich die richtige Gelegenheit ergibt.«

Informationen zum Buch
    Professor Sweschnikow macht 1916 eine sagenhafte Entdeckung, die Ratten das Leben verlängert. Ein Zufall will es, dass sie einem Menschen hilft, den Tod zu überlisten. Der Professor möchte seine Entdeckung gern geheim halten, doch das gelingt ihm nicht. Das Gerücht, dass er ein Verjüngungsmittel erfunden hat, hält sich bis in die Gegenwart, wo es die Begehrlichkeit des alternden Oligarchen Pjotr Colt weckt. Colt scheut weder Kosten noch Mittel bei der Jagd nach dem
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