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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit
Autoren: P Daschkowa
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vierzigjährige Dame mit Kinderzöpfen und einem Dutzend Ringen in jedem Ohr.
    »Wer ist das?«, fragte ihr Fotograf.
    »Colt. Pjotr Borissowitsch Colt.« Die Journalistin drängte sich geschickt zwischen die Kollegen und zog den schwerfälligen Fotografen hinter sich her.
    Ein beleibter kleiner Mann stieg aus dem Auto. Die uralte Jeans rutschte ihm fast vom Leib, das graue Fischgrätensakko war zerknittert, als habe eine Kuh darauf herumgekaut. Unter dem Sakko trug er ein T-Shirt mit dem englischen Aufdruck: »Gott liebt alle, sogar mich«.
    Die Journalistin mit den Zöpfen stieß ihren Fotografen mit dem Ellbogen an und flüsterte: »Die Füße! Mach ein Foto von den Füßen!«
    An den Füßen trug Colt schmutzige orangene Leinenschuhe. Colt gähnte, reckte sich und verzog das Gesicht wegen der Blitzlichter.
    »Pjotr Borissowitsch, guten Tag! Magazin ›Joker‹. Was halten Sie von der heutigen Veranstaltung?«
    »Herr Colt! Was ist das Geheimnis eines erfolgreichen Unternehmens?«
    »Pjotr, sagen Sie, stimmt es, dass Sie für zehn Millionen Euro die Fußballmannschaft der Elfenbeinküste gekauft haben?«
    Es hagelte Fragen, Blitze zuckten, Mikrofone schoben sich gegenseitig beiseite. Colt kratzte sich den dicken weichen Bauch, bedachte die Journalisten mit einem gutmütigen Lächeln und sagte mit tiefer Stimme: »Es ist alles ganz eitel.«
    Dann drehte er dem Publikum den Rücken zu, öffnete den hinteren Wagenschlag und zog das verschlafene, vor sich hin kauende Mädchen heraus.
    Die glatten hellen Haare fielen ihr ins Gesicht, und sie blies sie mit vorgereckter Unterlippe weg. Als sie sich aufrichtete, reichte Colts runder Kopf ihr knapp bis zur Schulter. Das Mädchen trug eine khakifarbene kurze Daunenjacke. Ihre gelbe Seidenhose war so geschnitten, dass vorn ein beträchtlicher Teil des Bauches entblößt und hinten die Ritze zwischen den Pobacken deutlich erkennbar war.
    Das Mädchen fotografierten die Journalisten nicht; sie ließen von Colt ab. Das Paar, rührenderweise Hand in Hand, lief zum Eingang. Die Journalistin mit den Zöpfen hatte schon ein paar Sätze für ihre Notiz in petto: Endlich sei dystrophische Magerkeit aus der Mode, nun seien üppige Formen aktuell. Der Antiglamour-Stil setze sich immer mehr durch. Alte, abgetragene, zerknitterte, betont billige und hässliche Sachen wie vom Flohmarkt gelten jetzt in der Szene als besonders schick.
    Ein Wachmann stieg in den Sportwagen und fuhr ihn auf den restauranteigenen Parkplatz, um Platz zu machen für einen quadratischen schwarzen Jeep, in dem ein populärer Fernsehmoderator und dessen Frau saßen.
    Im geräumigen Restaurantfoyer war an langen Tischen ein Büfett aufgebaut.
    Gemäß dem in der Einladung vorgegebenen Dresscode trugen die Männer strenge Anzüge, Frack oder Smoking, die Damen Abendkleider. Ein äußerst solides Publikum: Bankiers, Politiker, Besitzer von Zeitschriften, Zeitungen und Fernsehsendern. Bisher hatte noch niemand gewagt, auf einer derart seriösen Veranstaltung in Flohmarkt-Schick zu erscheinen.
    In einer halben Stunde sollte der feierliche Akt beginnen – die Überreichung der Preise für besondere Erfolge im Mediengeschäft.
    Die Preise selbst waren nicht besonders wertvoll. Jeder Ausgezeichnete erhielt eine kleine Bronzestatue, einen Vogel oder einen Fisch, einen Blumenstrauß und seine Portion Beifall. Kostbar war etwas anderes: An der Zeremonie teilnehmen zu dürfen, die schwarze Einladungskarte mit Golddruck im Kuvert aus rosa Seidenpapier erhalten zu haben. Außenstehende hatten hier keinen Zutritt.
    Die Gäste drängten sich um die Tische, schoben sich mit Tellern und Gläsern durch die Menge, bemüht, niemanden zu schubsen, nichts fallen zu lassen oder zu verschütten, was nicht so einfach war, denn es wurde immer voller.
    Colts Erscheinen löste einige Bewegung aus, aber nicht wegen der schlabbrigen Jeans und des zerknitterten Sakkos, nicht einmal wegen des halbnackten großen Hinterns seiner Freundin Jeanna. Die Bewegung rührte einzig daher, dass Colt sich recht rabiat in die Menge drängte, manchen anstieß und anderen auf den Fuß trat. Entschuldigen konnte er sich nicht, weil er dabei telefonierte. Auch das Mädchen Jeanna entschuldigte sich nicht, weil sie das prinzipiell nie tat.
    »Wo bist du? Ich sehe dich nicht. Hier sind massenhaftLeute!«, trompetete Colt in den Hörer. »Schön, bleib, wo du gerade stehst, und leg nicht auf!«
    Der Mann, zu dem Colt strebte, stand nicht, sondern saß. Er hatte
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