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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit
Autoren: P Daschkowa
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dass er das gar nicht bemerkte.
    »Unsinn! In deinem Institut gibt es niemanden, der sich einen solchen Strauß leisten könnte. Vielleicht bahnt sich da eine ernsthafte Affäre an?«
    »Schon möglich.« Sofja lächelte schwach. Der Husten war endlich vorbei.
    »Aber du kennst ihn? Du hast dich schon mit ihm getroffen, mit diesen I. S.?«
    »Nein, Nolik, nein. Wie oft soll ich das noch sagen?«
    »Was? So ein Strauß ist unheimlich teuer, Sofie, den schickt kein x-beliebiger guter Onkel.«
    »Es war leider kein Absender dabei. Du hast versprochen, in die Apotheke zu gehen, ich hab nichts mehr gegen das Fieber, und außerdem brauche ich Ohrentropfen.«
    »Und du versuchst gar nicht, es herauszufinden?«
    »Wie denn?«
    »Antworte ihm, frag ihn, wer er ist.«
    »Ja. Mach ich. Aber nicht jetzt.«
    »Warum nicht?«
    »Weil mein Vater gestorben ist, weil ich krank bin und weil mir alles scheißegal ist.«
    Nolik schwieg eine Weile mürrisch und rauchte, dann seufzte er und sagte etwas ruhiger: »Du solltest dich wenigstens bedanken. Du warst immer gut erzogen, Sofie.«
    »Es reicht.«
    Sofja lehnte den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen.»Weißt du was, Papas Doktorand Resnikow, der war auf der Beerdigung.«
    »Ich weiß. Er hat den Sarg tragen geholfen. So ein Glatzkopf mit Bärtchen. Und?«
    »Er hat gesagt, er habe Papa nicht nach Deutschland eingeladen. Er lebt seit langem in Moskau.«
    »Moment, wieso Resnikow?«
    »Papa hat behauptet, er fahre ihn in Deutschland besuchen. Papa hat nie gelogen.«
    »Na ja, vielleicht war das … na, was Persönliches? Warum nicht? Mama hat einen boyfriend in Sydney, und Papa hat sich jemanden in Berlin angeschafft.«
    »In Hamburg. Nein, Nolik. Das hätte er mir erzählt. Hör mal, mir geht’s echt elend. Geh bitte in die Apotheke. Im Flur steht meine Tasche, darin ist mein Portemonnaie.«
    Als Nolik gegangen war, blieb Sofja noch ein paar Minuten in der Küche sitzen, den Kopf an die kalten Fliesen gelehnt und die Augen geschlossen. Sie wünschte sich, dass ihr Vater wieder erschien. Sie wusste, sie würde jetzt aufstehen, in sein Zimmer gehen und die Aktentasche öffnen, und der verrückte Gedanke, dass sie das ohne seine Erlaubnis nicht tun dürfe, ließ ihr keine Ruhe. Unterwegs hockte sie sich hin und senkte ihr Gesicht in die Rosen. Wer immer dieser unbekannte I. S. war – sie war ihm dankbar. Tatsächlich hatte sie zum ersten Mal im Leben einen solchen Strauß geschenkt bekommen. Wäre Vaters Tod nicht gewesen und die Mittelohrentzündung, hätte sie sich bestimmt schrecklich gefreut und sich geschmeichelt gefühlt.
    Sie tappte mühsam bis zum Zimmer des Vaters, nahm die Aktentasche in die Hand und kam sich beinahe wie eine Diebin vor. Vielleicht hatte Nolik recht, und ihr Vater hatte in Hamburg eine Freundin? Nicht ohne Grund hatte er nicht gewollt, dass Sofja ihn zum Flughafen begleitete.
    Wahrscheinlich hatten sie sich hier in Moskau kennengelernt. Schon einige Monate vor seiner Reise nach Deutschland hatte er sich merkwürdig verhalten, war oft spät nach Hause gekommen. Doch Sofja hatte nie vermutet, dass ihr gemütlicher alter Vater ein intimes Privatleben haben könnte.
    Aber Sitzungen der Sektion und des wissenschaftlichen Rates dauerten nie bis nach Mitternacht. Wie viele seiner Kollegen verdiente sich der Vater etwas nebenbei, indem er Abiturienten auf die Aufnahmeprüfungen an Universitäten und Hochschulen vorbereitete. Die jungen Mädchen und jungen Männer kamen normalerweise zu ihm nach Hause, der Vater unterrichtete sie in seinem Zimmer. Er fuhr nie zu ihnen. Aber in den letzten zwei Monaten hatten Sitzungen der Sektion und des wissenschaftlichen Rates bis ein Uhr nachts gedauert, und der größte Teil des Unterrichts mit den Abiturienten hatte sonstwo stattgefunden.
    Sofja stellte sich eine elegante ältere Frau vor, eine gelehrte Dame mit adrettem grauen Haar und einem bezaubernden Porzellanlächeln.
    Inzwischen hatte sie die Aktentasche geöffnet. Darin lag nur ein fester kleiner Briefumschlag. Er enthielt Fotos, schwarzweiß und ziemlich alt.
    Ein junges Mädchen und ein junger Mann. Sie etwa achtzehn, er höchstens fünfundzwanzig. Vermutlich in einem Fotoatelier aufgenommen. Sie sitzen da und blicken ins Objektiv, scheinen aber nur einander zu sehen. Er dunkelhaarig, die großen Ohren leicht abstehend, das Gesicht schmal, die Nase gerade, die Lippen dünn. Sie hat den dicken hellen Zopf über die Schulter geworfen, ihre Augen sind groß und
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