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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt
Autoren: Olaf Buettner
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Adrian vor sich auf den Boden. Der Jüngste setzt sich auf. Sein Ohr ist feuerrot, aber er scheint keinen Schmerz zu spüren. Niemand bringt ein Wort hervor.
    Â»Los!«, fordert der Boss. »Ich will eine Antwort. Wer hat zu mir gesagt, dass er mit seinem Leben dafür bürgt, dass diese Penner hier die einzig Richtigen sind? Hab ich das etwa zu mir selbst gesagt?«
    Â»Ich hab es gesagt«, flüstert Adrian fast. »Und ich hab es ganz ernst gemeint. Ich weiß nicht, was heute mit ihm los war. Er ist sonst total zuverlässig.«
    Â»Er wird aus deinem Team gestrichen.« Der Boss ist kompromisslos. »Wir schicken ihn nach Hamburg. Ihr anderen macht ein paar Tage Pause. Dann schick ich dir jemand Neues.«
    Keiner sagt etwas. Alle starren ihn an, halb neugierig, halb desinteressiert. »Bei den Klauern ist einer, der nach Höherem strebt«, erklärt er zynisch. »Auch so ein verdammter schwachsinniger Zwerg.«
    Im Gesicht des Vierten zuckt es, die anderen sehen es nicht.
    Ein Kleiner pro Einsatzgruppe ist dem Boss wichtig. Jederzeit kann es vorkommen, dass jemand durch eine enge Fensterluke klettern muss. Natürlich sind die Zwerge beliebig austauschbar. »Du kennst ihn übrigens schon«, sagt er zu dem Vierten. »Du hast ihn eingewiesen.«
    Â»Das geht nicht«, antwortet dieser schnell, etwas zu schnell vielleicht. Er sieht erschrocken aus.
    Der Boss tritt ganz dicht an ihn heran. »So? Und warum nicht, wenn man fragen darf?«
    Â»Er ist noch nicht so weit.«
    Â»Ist er nicht?«, fragt der Boss leise, fast verständnisvoll. In gleichem Ton fährt er fort: »Und woher weißt du kleines Arschloch, wann einer so weit ist?«
    Der andere zögert einen Moment. »Ich weiß es nicht«, sagt er schließlich resigniert.
    Â»Und wann ist einer so weit?«
    Â»Wenn du es sagst?«
    Der Boss klatscht hämisch Beifall. Dann wuschelt er seinem Gegenüber durch die Haare, wie man es bei einem Kind macht. Ein Schlag ins Gesicht wäre weniger erniedrigend gewesen.
    Â»Bingo!«, ruft er begeistert. »Du bist doch nicht so blöd, wie du aussiehst.« Er lacht und geht zum Ausgang. »Du kommst mit«, sagt er und zu dem Kleinen gewandt: »Du auch. Wir haben draußen ein paar Dinge zu klären.«
    Â»Und ich?«, fragt das Mädchen. Sie klingt enttäuscht.
    Kurz überlegt er. »Meinetwegen. Aber ein bisschen dalli. Ich hab meine Zeit nicht geklaut, Madame.«
    Als sie vor ihm geht, haut er ihr so fest auf den Hintern, dass sie ihn zuerst fast ohrfeigt, dann aber doch lieber lächelt. Es sich mit dem Boss zu verscherzen ist nicht gut.
    Â»Du hältst hier die Stellung«, befiehlt er Adrian. »In spätestens drei Stunden sind wir zurück.«
    Adrian fügt sich wortlos. Dass er zurückbleiben muss, ist eine pure Machtdemonstration. Der Boss spürt deutlich, dass es noch nie so wichtig war, allen klarzumachen, wer hier das Sagen hat.
    Nils wohnte mit seiner Mutter im vierten Stock eines noblen Hauses mit Meerblick.
    Â»Da haben die Reichen eine Zweitwohnung«, pflegte mein Vater neiderfüllt zu sagen, wenn von diesen Neubauten die Rede war.
    Â»Stimmt fast«, meinte Nils. »Aber eben nur fast.«
    Wir standen uns im Wohnzimmer gegenüber. Die Einrichtung war schlicht, aber ich schätzte mal, nicht gerade billig. Alle Möbel waren aus hellem Holz, Sessel und Sofa mit sandfarbenem, weichem Stoff bezogen, die Tapeten in hellem Terrakotta. Ich fühlte mich auf Anhieb wohl.
    Â»Wir haben tatsächlich noch ein Haus«, erklärte Nils. »Aber das wird gerade verkauft. Es macht zu viel Arbeit. Meine Mutter ist bei der Kripo. Da hat sie fast nie Zeit.«
    Â»Bei der Kripo?« Das war mir neu. »Und dein Vater, was macht der?«
    Â»Der lebt seit der Scheidung in Süddeutschland«, sagte er. »Setz dich doch. Willst du was trinken?«
    Tatsächlich war meine Zunge fast schon pelzig. »Wasser wäre nicht schlecht.«
    Ich setzte mich auf das riesige Sofa, das übersät war mit jeder Menge Kissen in verschiedenen Größen und unterschiedlichen Beigetönen.
    Nils kam mit einer Flasche und zwei Gläsern aus der Küche zurück. Er schenkte ein und setzte sich. Ich trank und spürte das Leben in mich zurückkehren.
    Â»Arbeitet sie jetzt noch?«, fragte ich. »Um diese Zeit?« Es war fast Mitternacht.
    Â»Ja. Aber sie müsste bald
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