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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt
Autoren: Olaf Buettner
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dunkel genug, dass er es nicht sehen konnte.
    Â»Spinnst du eigentlich, mich dermaßen zu erschrecken?« Angriff ist die beste Verteidigung. Ich flitzte aus dem Eingang. Langsam kam Nils mir hinterher. Ganz in der Nähe tutete ein Schiffsnebelhorn. Es konnte nicht weit sein zum Wasser.
    Â»Ich dachte, du wolltest mich überfallen«, meinte er.
    Das sollte wohl witzig sein. Ich lief in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
    Â»Schwachmat«, zischte ich. Im nächsten Augenblick bereute ich es fast schon wieder. Als ich mich umdrehte, war Nils nicht mehr da. Ich ging zurück, aber der Nebel hatte ihn verschluckt. Außer dem Schiffshorn hörte ich nichts mehr.
    Â»Nils!«
    Es klang, als hätte ich in einen Watteballen gerufen. Es kam keine Antwort. Vor lauter Wut auf mich selbst hätte ich am liebsten losgeheult. So blöd wie ich musste man erst mal sein. Entmutigt machte ich mich auf den Rückweg.
    Â»Klara?« Die Stimme war nah und kam doch aus dem Nichts. Ich drehte mich nicht um.
    Â»Es ist ziemlich kalt, findest du nicht?«
    Â»Ãœberhaupt nicht«, antwortete ich. »Ich dachte, wir wären in Äquatornähe.«
    Er ignorierte mein Gefasel und sagte: »Ich wohne nicht weit von hier.«
    Â»Schön für dich.« Ich ging ein paar Schritte weiter.
    Â»Wenn du willst«, sagte er leise, »kannst du mitkommen.«
    Â»Wie bitte?« Ich drehte mich um. »Spinnst du jetzt total oder was? Was soll ich denn bei dir zu Hause?«
    Er ging weiter. »Ich hab nur so den Eindruck, du wüsstest vielleicht nicht, wohin.«
    Mein erster Impuls war fortzulaufen. Dann aber folgte ich ihm zögernd. »Wie kommst du denn darauf? Ich glaub, es hackt!« Dann etwas kleinlauter: »Und selbst wenn? Was würden deine Eltern wohl sagen, wenn ich plötzlich auf der Matte stünde? – Vergiss es!« Ich versuchte mir vorzustellen, wie meine Eltern umgekehrt reagiert hätten, aber meine Fantasie reichte dazu nicht aus.
    Â»Meine Mutter ist gar nicht da«, sagte er. »Nun komm schon!« Dann ging er einfach los und ich trabte wie ein Schaf hinter ihm her. Was hätte ich sonst machen sollen?

3
    Â»Seid ihr denn total bescheuert?!« Der Boss überschlägt sich fast vor Wut. »Wenn die Bullen schon vorher alles drangesetzt haben, uns zu krallen, dann könnt ihr verdammten Vollidioten euch vielleicht in euren beknackten Spatzenhirnen vorstellen, was jetzt bei denen abgeht!«
    Nach dem Anruf hat es keine Viertelstunde gedauert, bis der Boss in der Lagerhalle aufgekreuzt ist. Die vier Mitglieder der Gruppe sitzen vor ihm auf umgedrehten Kisten und machen Gesichter wie ertappte Schulkinder. Fast scheint es, dass sie ein schlechtes Gewissen haben, weil der Boss enttäuscht ist, und nicht, weil ein Mensch tot ist.
    Â»Aber …«, wagt Adrian die Stimme zu erheben und wird sofort niedergebrüllt.
    Â»Schnauze! Ich will nichts hören, verdammter Esel!«
    Drohend baut sich der Boss vor Adrian auf. Das wirkt fast lächerlich, weil der im Sitzen beinahe schon so groß ist wie der Boss im Stehen. Muskelbepackt sind sie beide. Vor allem dem Boss sieht man die vielen Trainingsstunden im Fitnessstudio selbst durch die Jacke hindurch noch an.
    Â»Ich weiß genau, was du sagen willst«, zischt er, plötzlich gefährlich leise geworden. »Du willst mir erzählen, dass schließlich nicht du zugeschlagen hast, sondern diese kleine Ratte hier. Richtig?«
    Während des Redens ist er zu dem Jüngsten getreten und hat ihn an einem Ohr in die Höhe gezogen. Obwohl es furchtbar wehtun muss, verzieht der Junge noch nicht mal das Gesicht. Es scheint, als begreife er überhaupt nicht, was sich abspielt. Und erst recht nicht, was vorhin in der Tankstelle passiert ist. Was ihm passiert ist.
    Â»So ist es doch aber«, bringt Adrian hilflos hervor. Der Auftritt vom Boss gefällt ihm überhaupt nicht. Er untergräbt seine eigene Autorität und seine Würde. Das macht ihn wütend und handlungsunfähig. Aber es ängstigt ihn auch und dieses Gefühl ist am stärksten.
    Â»Und wer, du verdammter Schwachsinniger, wer hat diese Gruppe zusammengestellt?«, zischt der Boss ihn an. Den Kleinen lässt er auf den harten Steinboden plumpsen wie einen Sack Kartoffeln. »Wer hat mir versichert, dass dies hier genau die richtigen Leute für die Tankstellenjobs sind? Hä, wer?«
    Betreten blickt
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