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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt
Autoren: Olaf Buettner
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drehte gerade ziemlich auf, es hörte sich monströs an.
    Â»Willst du gar nicht wissen«, fragte ich und verstaute mein Handy, »warum ich nicht daheim schlafe?«
    Â»Sagst du es mir?« Er schenkte uns beiden neues Wasser ein.
    Â»Und wenn nicht?«
    Langsam drehte er die Flasche wieder zu. »Dann nicht. Wenn du es nicht erzählen willst und ich dich drängen würde, was würdest du dann wohl machen?«
    Â»Dir irgendeinen Quatsch erzählen.«
    Nils lehnte sich auf dem Sofa zurück. Er brauchte nichts mehr zu sagen.
    Â»Ich hab Zoff mit meinem Alten«, erzählte ich leise und korrigierte mich sofort: »Mit meinem Vater.« Ich hatte mir fest vorgenommen, niemals verächtlich von ihm zu sprechen. Ich wollte nicht irgendwann auf ihn herabsehen.
    Als etwas später das Telefon klingelte, hatte ich Nils gerade von meinem Vater und der Schulgeschichte erzählt. Seine Mutter war am Apparat. Nils kam kaum zu Wort. Sie hatte keine guten Nachrichten.
    Â»Es ist wieder ein Überfall verübt worden«, sagte er zu mir, nachdem er aufgelegt hatte. Aber das schien noch nicht alles zu sein.
    Â»Damit hat die Polizei doch gerechnet, oder?«
    Â»Ja.« Nils sah mich ernst an. »Aber nicht damit, dass es diesmal einen Toten gibt.«

4
    Â»Ich kann nicht schlafen.«
    Es war stockdunkel. Ich stand in der Wohnzimmertür. Dass Nils auf dem Sofa lag, wusste ich, aber ich konnte ihn nicht sehen. Kaum hatte ich im Bett gelegen, hatten die Gedanken in meinem Kopf eine regelrechte Achterbahnfahrt gestartet. Eine volle Stunde hatte ich mich von einer Seite auf die andere gewälzt. Deshalb hatte ich mir einen Ruck gegeben und war aufgestanden. Ich musste mit jemandem reden.
    Â»Ich krieg auch kein Auge zu«, sagte Nils.
    Er hatte mir ein Nachthemd seiner Mutter geliehen, das mir sehr gefiel. Es gab nur einen einzigen Grund, aus dem ich es mir nie im Leben gekauft hätte: Es wäre viel zu teuer gewesen. Die Situation war mir genau von dem Moment an peinlich, in dem Nils die Lampe neben dem Sofa anknipste. Das Nachthemd war ziemlich sexy.
    Ich holte die Decke, unter der ich gelegen hatte, und setzte mich damit auf einen Sessel. Nils lag auf dem Rücken, verschränkte die Arme unterm Kopf und starrte an die Decke.
    Â»Ist das nicht völlig irre?«, sagte er. »Bei einem popligen Tankstellenüberfall jemanden zu erschlagen? Wegen der paar Kröten!?«
    Â»Allerdings.«
    Â»Der Täter war angeblich noch ziemlich jung.«
    Â»Wurde er gefasst?«
    Â»Nein. Aber es gibt einen Zeugen. Den Tankwart.«
    Â»Ich weiß nicht, wie man damit weiterleben kann, wenn man so was gemacht hat.«
    Nils wechselte das Thema. »Warum kannst du nicht schlafen?«
    Â»Egal.« Nach einer Pause setzte ich hinzu: »Bei uns zu Hause geht alles den Bach runter.«
    Wir schwiegen eine Weile, dann sagte Nils: »Meine Mutter hat nur ihre Arbeit im Kopf. Das hat schon meinen Vater in die Flucht geschlagen. Und nach diesem Mord wird es nicht besser werden.«
    Ich war selbst überrascht, aber plötzlich hatte ich Lust, mich zu ihm aufs Sofa zu setzen. Aber ich blieb, wo ich war. Es war jetzt so still, dass ich mich atmen hörte.
    Dann kam jemand in die Wohnung. Erschrocken fuhr ich zusammen. Das Licht ging an und eine große blonde Frau stand im Raum. Sie sah gut aus, wenn auch total müde. Obwohl sie Jeans und eine Männerlederjacke anhatte, wirkte sie kein bisschen maskulin. Sie hatte eine Brötchentüte in der Hand und sah mich überrascht an. Dann lächelte sie, ohne mich irgendwas zu fragen.
    Â»Guten Morgen«, sagte sie stattdessen und schwenkte die Tüte. »Wie wär’s? Ich nehme an, ihr habt noch nicht gefrühstückt?«
    Die Gelassenheit von Nils’ Mutter angesichts meiner unerwarteten Anwesenheit blieb. Sie fragte mich weder, wer ich war, noch was ich hier machte, sondern kommentierte nur ironisch mein hübsches Outfit. Das irritierte mich. Es war mitten in der Nacht. Eine Fremde saß mit ihrem Sohn in ihrem Wohnzimmer und hatte ihr Nachthemd an.
    Sie ging einfach zu Nils und küsste ihn auf die Wange.
    Â»Guten Morgen, mein Schatz. Frühstück gefällig?«
    Von seiner Seite aus fiel die Begrüßung eher frostig aus.
    Â»Du vielleicht?«, reichte er die Frühstücksfrage an mich weiter.
    Ich nickte. Nils stellte mich so knapp wie möglich seiner Mutter vor.
    Â»Klara, eine
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