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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt
Autoren: Olaf Buettner
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kommen.«
    Er stand auf und stellte eine CD an.
    Â»Ist das okay?«, fragte er. »Pink Floyd. 70er-Jahre. Meine Mutter hört so’n Zeug. Ich finde, es hat was.«
    Die Musik war mir egal. Irgendwas musste passieren. »Was machen wir hier eigentlich?«, fragte ich gereizt.
    Nils blieb gelassen. »Wir trinken Wasser und hören Musik.«
    Ich sprang auf. »Ich glaub, es ist besser, wenn ich jetzt wieder gehe. Danke für das Wasser.«
    Â»Dann bist du mir also nachgelaufen«, meinte Nils, »weil du so einen verdammten Durst hattest?«
    Â»Ich bin dir nicht nachgelaufen.«
    Auch Nils kam hoch und blieb vor mir stehen. Er war ungefähr einen halben Kopf größer als ich und reichlich schlaksig. »Soll ich mal raten, warum?«, fragte er.
    Â»Ich dachte, nur deine Mutter ist bei der Kripo.« Ich drehte mich zur Tür.
    Â»Du weißt nicht, wo du heute Nacht pennen sollst. – Stimmt’s?«
    Wie angewurzelt blieb ich stehen und drehte mich nicht um. Ich wollte nicht, dass er die Tränen sah, die mir ganz unvermittelt in die Augen geschossen waren. Ich verstand selbst nicht, was mit mir los war.
    Â»Wir haben kein Gästezimmer«, sagte Nils. »Aber wenn du willst, kannst du mein Bett haben. Ich schlafe auf dem Sofa.«
    Â»Was ist, wenn deine Mutter kommt?«
    Â»Die sieht das nicht so eng.«
    Â»Eine Polizistin?« Ich war erstaunt. »Sehen die nicht immer alles eng?«
    Â»Ãœber so was kann man mit ihr reden.«
    Das Angebot hörte sich eigentlich nicht schlecht an.
    Â»Manchmal kommt sie auch erst im Morgengrauen«, meinte Nils. »Zurzeit ermittelt sie wegen der Tankstellenüberfälle. Du hast bestimmt davon gehört.«
    Na klar, hatte ich. Seit ein paar Wochen waren die Zeitungen voll davon. Und bei uns zu Hause waren sie allein schon wegen der Tankstelle vom lieben Onkel Herbert andauernd Thema. Vielleicht ist der ja auch mal dran, hatte mein Vater hämisch kommentiert.
    Â»Soviel ich weiß«, sagte Nils, »wird heute Nacht mit einem neuen Überfall gerechnet. Es passiert immer an Freitagen.«
    Danach saßen wir einfach nur auf dem riesigen Sofa und hörten weiter Pink Floyd. Eine reichlich absurde Situation, mitten in der Nacht mit Nils Gröling im Wohnzimmer seiner Mutter zu sitzen und psychedelische Musik zu hören. Aber damit nicht genug, gleich würde ich hier auch noch übernachten! Kein Mensch würde mir das glauben.
    Aber ich wusste eh nicht, wem ich es erzählen sollte. Selbst mit Pit redete ich in letzter Zeit kaum noch. Er lebte viel zu sehr in seiner eigenen Welt.
    Das war nicht immer so gewesen. Wenn ihm früher etwas passiert war, dann war das für mich fast so schlimm, als wäre es mir selbst geschehen. Wenn er etwas ausgefressen hatte, habe ich die Wellen für ihn geglättet. Einmal hab ich mich sogar für ihn geprügelt. Ein paar ältere Jungs hatten ihn in der Mangel. Ich bin dazwischen wie wild und hab die Typen in die Flucht geschlagen. Aber das lag lange zurück.
    Zwar hätte ich noch immer mein Leben für ihn gegeben, aber wir waren uns einfach nicht mehr nahe. Ich wusste fast nie, wo er war oder was er machte, und umgekehrt war es nicht anders.
    Zum Beispiel hatte ich überhaupt keine Ahnung, wer der Typ war, mit dem ich ihn vorhin getroffen hatte. Auch dieser blöde Kurzhaarputz, mit dem Pit seit Neustem durch die Gegend rannte, irritierte mich. Dabei war es keine politische Haltung, sondern er fand es einfach nur cool. Meine Meinung zu solchen Sachen interessierte ihn seit Neustem nicht mehr.
    Früher hatte ich seine Kumpels immer gekannt. Vor allem Benjamin, der seit Kindergartentagen sein bester Freund war. Aber selbst den ließ er seit einiger Zeit links liegen. Dabei war Benjamin echt in Ordnung und die beiden waren immer füreinander durchs Feuer gegangen. Aber jetzt lief da gar nichts mehr. Ich hatte Ben schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Und einmal, als ich ihm mit Pit begegnet war, hatten sie sich nicht mal gegrüßt.
    Mir fiel ein, dass ich mich bei meinem Bruder melden wollte. Vielleicht wartete er schon darauf? Sicher war er noch nicht zu Hause. Ich wählte sein Handy an, aber es war ausgeschaltet, was ziemlich ungewöhnlich war. Ich beschloss, es gleich morgen früh noch mal zu versuchen.
    Plötzlich merkte ich, dass Nils mich die ganze Zeit beobachtete. Fast hatte ich vergessen, wo ich war. Pink Floyd
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