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Bis aufs Messer

Bis aufs Messer

Titel: Bis aufs Messer
Autoren: Carter Brown
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zurück, so daß all sein Haar
wie ein Feld voll ausgewachsenem und schlecht entwickeltem Weizen wogte. »Ich
ziehe es vor, die Situation klarzustellen.« Er sah mich wieder an. »Ich bin der
Hausminnesänger, Mr. Holman . Als Entgelt für das Dach
über meinem Kopf, drei ausgiebigen Mahlzeiten am Tag stehe ich auf Abruf
bereit. Nennen Sie Ihre Wünsche, Sir, und ich werde mein Bestes tun, um meinen
Lebensunterhalt zu verdienen.«
    »Bruce«,
begann Kendall, »ich glaube nicht...«
    »Was
wollen Sie, Sir?« fragte mich Talbot, die Unterbrechung ignorierend. »Eine Ode,
ein Sonett oder vielleicht ein koreanisches sijo ? Oder vielleicht würden Sie eine reizende, meinem edlen Mäzen gewidmete Stanze
vorziehen?« Er nahm für einen Augenblick die komödiantisch übertriebene Pose
eines Denkers ein und begann dann in Falsettstimme zu rezitieren: » Rafe Kendall sei gepriesen / dessen Stücke alles
vernichteten / was einst die Geisterriesen / an genialen Dramen dichteten...«
    »Ich
glaube«, sagte Kendall mit spröder Stimme, »es reicht jetzt, Bruce.«
    »Oh,
sehr gut.« Talbot warf erneut den Kopf zurück, aber der trotzige
Gesichtsausdruck zerbröckelte schnell. »Wenn ich wie ein Diener entlassen
werde...« Er drehte sich auf dem Absatz um und marschierte aus dem Zimmer.
Seine lavendel-blau-zitronengelbe Rückansicht wirkte wie die eines
farbenblinden Pfadfinders.
    Das
Schweigen dauerte, nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, etwa fünf
Sekunden. Dann lächelte Kendall entschuldigend. »Bruce ist das, was man einen
empfindsamen Typ nennt, glaube ich.«
    »Er
ist nicht nur ein Proletendichter, er ist ein Prolet«, sagte Antonia in
scharfem Ton. »Ich finde es nicht richtig von dir, ihn hier im Haus
herumlungern und seine miserablen Gedichte verfassen zu lassen, wenn er
woanders seiner wirklichen Bestimmung als Proletenstift folgen könnte.«
    Kendall
sog an seiner Pfeife, bis ihm klar wurde, daß sie ausgegangen war. Er fummelte
in seinen Taschen nach Zündhölzern. »Das ist etwas, das wir ein andermal
diskutieren können«, sagte er finster, »wenn du darauf bestehst.«
    »Ich
habe es längst aufgegeben, in diesem Haus auf etwas zu bestehen, denn es bringt
mich doch nicht weiter. Aber wenn Mr. Holman hier
herumsitzen und mit uns >glückliches Familienleben< spielen möchte, mir
soll’s recht sein.«
    Es
war mein Stichwort, und ich nahm es auf. »Ich wollte sowieso eben gehen.« Ich
stand auf und stellte mein leeres Glas auf einen kleinen Tisch. »Könnte ich
diese Telefonnummer haben?«
    »Natürlich.«
Kendall zog seine Brieftasche heraus, entnahm ihr einen Zettel und reichte ihn
mir. »Sie lassen mich doch wissen, was geschehen soll, nachdem Sie Boler gesprochen haben?«
    »Natürlich.«
Ich nickte.
    »Danke.«
Er blickte auf seine Tochter. »Würdest du bitte Mr. Holman hinausbegleiten, Antonia?«
    »Das
ist eine überflüssige Geste.« Sie stand langsam auf. »Er hat sich praktisch
seinen Weg hierherein erboxt .«
    »Es
wäre reizend«, sagte er mit fast sehnsüchtiger Stimme, »wenn du deine
Ungezogenheiten ein einziges Mal für mich reservieren würdest, anstatt sie
wahllos auf jeden Menschen auszudehnen, dem du begegnest.«
    »Du
meinst, ich sollte zu jedermann liebenswürdig sein, so daß das Bild des großen
Dramatikers keine Trübung erfährt?« Ein kalter Glanz trat in ihre Augen. »Okay —
wie wär’s damit?«
    Sie
ging auf mich zu und eine Sekunde lang glaubte ich, sie würde geradewegs durch
mich hindurchmarschieren, aber im letzten Augenblick blieb sie ein paar
Zentimeter weit von mir entfernt stehen. Dann ließ sie ihren Arm durch den
meinen gleiten und preßte ihn fest gegen ihren
Körper, so daß mein Handrücken heftig gegen ihre eine kleine feste Brust
gepreßt wurde. Ihre langen Lider bewegten sich ein paarmal auf und ab, während
sie mir ein ausgesprochen künstliches Lächeln zukommen ließ.
    »Es
war reizend, Sie kennenzulernen, Mr. Holman «, gurrte
sie. »Jeder Freund meines Paps — des großen amerikanischen Dramatikers — ist
mein Freund. Wenn Sie Kritik an einem seiner Stücke zu üben haben sollten — irgendwelche
Kritik — , dann lassen Sie uns zusammen ins Bett hüpfen und dort diskutieren.
Ganz sicher kann ich dann Ihre Ansicht ändern.«
    Es
gab einen kleinen harten Laut, als Kendall glatt seinen Pfeifenrohr durchbiß . Antonia lachte rauh ,
schleuderte dann meinen Arm fast von sich und kehrte zu ihrem Stuhl zurück.
»Der Unterricht am lebenden Objekt ist
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