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Birnbaeume bluehen weiß

Birnbaeume bluehen weiß

Titel: Birnbaeume bluehen weiß
Autoren: Gerbrand Bakker
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für einen Maßstab hat die Karte?«, fragte Gerson. »Eins zu fünfhunderttausend«, antwortete Gerard.
    »Was bedeutet das?«, fragte Gerson. »Wie viel Zentimeter sind ein Kilometer?«
    »Ein Zentimeter sind fünf Kilometer.«
    Wir sahen ihn rechnen. »Italien ist nur hundertfünfzig Kilometer von hier entfernt.«
    »Ja und?«, fragte Gerard.
    »Wenn wir morgen früh um neun Uhr losfahren, sind wir um elf in Italien.«
    »Was sollen wir in Italien? Wir machen Urlaub in Frankreich.«
    »Ich will es mir gerne mal anschauen, wir sind jeden Sommer in Frankreich.« Gerson sah uns an.
    »Ja«, sagte Klaas, »wir wollen auch nach Italien.«
    Gerard stieß einen tiefen Seufzer aus. »Glaubt ihr denn wirklich, dass eure Mutter dort steht, sobald wir über die Grenze fahren?«
    »Darum geht’s nicht«, sagte Klaas. »Italien ist bestimmt ein schönes Land.«
    »Italien ist ein abscheuliches Land«, sagte Gerard. »Es ist dort bullenheiß, Italiener sind äußerst unangenehme, laute Leute, die nichts lieber machen, als einen auf diesen lächerlichen Motorrollern über den Haufen zu fahren, es gibt keine anständigen Klos, sondern Löcher im Boden, über die man sich hocken muss, man bekommt eine Lebensmittelvergiftung oder auf jeden Fall schlimmen Durchfall, sie sprechen nur Italienisch und weigern sich, Englisch oder was auch immer zu reden, sie haben ständig Waldbrände, die sie meistens selbst entfachen, die Züge sind immer zu spät, alle und alles ist immer zu spät, die Kellner sind unfreundlich, wenn man auf einer Terrasse sitzt und sein Geld nicht am Körper festgekettet hat, ist es schon geklaut, und wenn man ins Museum will, ist es immer und ewig geschlossen, weil gerade restauriert wird.«
    »Bist du eigentlich schon mal in Italien gewesen?«, fragte Gerson.
    »Ich bin doch nicht verrückt!«
    »Ist schon gut«, sagte Kees. »Wir fahren also nicht nach Italien.«
    »Schade«, sagte Klaas. »Wir hatten gerade so viel Lust darauf bekommen.«
    »Und ob wir nach Italien fahren«, sagte Gerard. »Morgen früh um acht Uhr.«
    Es dauerte vier Stunden, bis wir die Grenze erreichten, weil sehr viele Leute nach Italien fuhren. »Was wollen all diese Leute bloß in Italien?«, fragte Gerson, aber wir gaben ihm keine Antwort mehr.
    Im erstbesten italienischen Dorf parkte Gerard das Auto auf dem Dorfplatz. Daan sprang sofort heraus und drehte wilde Runden. Zwei Jungen auf Motorrollern fuhren quer über den Platz. Noch bevor wir ausgestiegen waren, saß Daan wieder im Auto. Gerard nahm die Leine aus dem Handschuhfach und klickte sie an Daans Halsband.
    »Ich setze mich dorthin und trinke was«, sagte er. »Ihr könnt machen, wozu ihr Lust habt.« Er schloss das Auto ab, murmelte noch was und ging auf die Sonnenschirme und Tische zu. Daan folgte ihm ergeben, obwohl er sich ein paarmal umschaute, um zu sehen, wo Gerson blieb.

    Zwei Stunden später gingen Gerson und wir wieder über den Dorfplatz. In der Zwischenzeit hatten wir bei jedem Haus im Dorf durchs Fenster geschaut. Jedenfalls, wo das ging, bei vielen Häusern waren die Holzläden vor den kleinen Fenstern geschlossen. Es war ein sehr kleines Dorf, der Platz war der Mittelpunkt, zu dem ein paar Wege führten. Es gab ein Geschäft und einen Frisör, beide geschlossen. Es gab nichts zu erleben, wir waren niemandem begegnet, und uns war furchtbar heiß.
    »Drei Cola?«, fragte Gerard.
    »Ja!«, sagten wir alle drei gleichzeitig.
    Daan sprang auf Gersons Schoß, und Gerard bestellte drei Cola und einen Espresso.
    Niemand sagte was, dort auf dem italienischen Dorfplatz. Wir tranken unsere Cola und starrten zu den großen Platanen, die dem Platz Schatten spendeten. Aus dem Café drangen unverständliche Laute, die in einer Art Wellenbewegung verliefen. Es klang laut, dann wurde es noch lauter, und dann schwächte der Lärm ein wenig ab, aber es wurde nie leise.
    »Sie schreien wirklich«, sagte Klaas, als er sein Glas mit einem Knall auf dem Tisch abstellte.
    »Und es ist hier bullenheiß«, fügte Kees hinzu.
    »Gerson, wenn du jetzt mal überprüfen würdest, ob das Klo wirklich ein Loch im Boden ist«, sagte Gerard.
    Wir dachten, er machte einen Witz, vielleicht tat er das auch, aber Gerson setzte Daan auf den Boden und ging gehorsam ins Café. Fast unmittelbar verstummten die Laute, die durch die Tür nach draußen wehten. Dann schwollen sie wieder an. Kurz nachdem es im Café zum zweiten Mal still geworden war, kam Gerson zurück. »Ja«, sagte er. »Morgen habe ich
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