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Birnbaeume bluehen weiß

Birnbaeume bluehen weiß

Titel: Birnbaeume bluehen weiß
Autoren: Gerbrand Bakker
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bestimmt Muskelkater.«
    »Lasst uns jetzt mal gehen«, sagte Gerard.
    Wir stiegen in den schnodderfarbenen Ofen. Gerard fuhr ein Stück im Rückwärtsgang und musste mit aller Kraft auf die Bremsen treten, weil die beiden Motorrollerjungen hinter dem Auto entlangsegelten. Daan bellte, und wir seufzten.
    Als wir über die Grenze fuhren, wurde es noch stiller im Auto. Es war, als wenn unsere Gedanken – die natürlich auf eine einzige Person gerichtet waren – das letzte kleine bisschen Geräusch aus dem Auto vertrieben. Durch die Windschutzscheibe rollte Frankreichauf uns zu. Daan stand mit den Vorderpfoten auf der Hutablage und leckte die Heckscheibe ab. Er war der Einzige, der sah, wie Italien langsam aus dem Blickfeld verschwand.

Schälen
    Wir können nichts dafür, dass wir Zwillinge sind. Das ist nun einmal so. Wir können ab und zu zwar so tun, als wären wir keine Zwillinge, zum Beispiel, um jemandem damit entgegenzukommen, aber es ist und bleibt ein Spiel. Wir sind immer Zwillinge gewesen, wir sind es jetzt, und wir werden es immer bleiben.
    So hat sich mal einer von uns vorne ins Auto gesetzt, während Gerson und der andere sich auf die Rückbank setzten. Aber das funktionierte nicht. Nicht für uns, weil derjenige, der vorn saß, sich ständig umdrehen musste, und auch nicht für Gerson, der spürte, dass wir ihm damit einen Gefallen tun wollten. Davon wurde er halsstarrig und grantig. Mürrisch starrte er aus dem Fenster und beteiligte sich nicht am Gespräch. Wenn wir ihn was fragten, antwortete er doppelt. »Ja, ja.« Oder: »Nein, nein.« Womit er nur sagen wollte, dass wir ihn in Ruhe lassen sollten. Manchmal zog er dabei auch noch die Schultern hoch, wie um uns von sich abzuschütteln.

    Eines Tages im Mai, vor einem halben Jahr, fuhren wir zu viert zu Gerards Eltern. Es war ein Sonntag. Es war Frühling. Und weil Frühling war, fuhren wir zu Oma und Opa. Gerard bekam im Frühling immer ein wenig Heimweh nach dem Ort, an dem er geboren war. Dann lag etwas in der Luft – Gerüche, Erinnerungen, Farben in der Sonne –, was ihn wehmütig machte. Nicht traurig, sondern wehmütig, die positive Seite der Traurigkeit, wie er es selbst immer nannte. Am Samstagvor jenem Sonntag hatte er frei, und so hatte er das kleine Auto gewaschen. Der große Unterschied zu den anderen Waschaktionen war, dass er dabei ständig die Nase in die Luft streckte und schnupperte. Als wenn er etwas röche, was er nicht einordnen konnte, und schnuppernd versuchte, draufzukommen, was es war.
    »Wir fahren morgen zu Jan und Anna«, sagte er abends.
    »Gut«, sagten wir, denn der nächste Tag war ein Sonntag, und Sonntag ist ein Tag, an dem man was unternehmen muss. Wenn man das nicht macht, sonntags, ist es ein furchtbarer Tag. Ein leerer Tag, an dem nichts passiert und der mit Fußball im Fernsehen endet.

    Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und das Auto stand bereit, um uns Richtung Osten zu fahren. Es glänzte vor Sauberkeit und roch nach Hartwachs. Die Windschutzscheibe war von Fliegendreck, plattgedrückten Motten und eingetrockneten schmutzigen Regenschlieren befreit worden. Im Auto roch es nach Wald. Gerard sprühte immer ein wenig Tannenduft ins Auto, wenn er mit dem Staubsaugen fertig war.
    Gerson setzte sich wortlos vorne auf den Beifahrersitz. Daan kroch zwischen seine Beine, und wir setzten uns nach hinten. Gerard schloss die Hintertür vom Haus ab, hängte den Schlüssel an den Nagel unter dem hervorspringenden Dachrand des Schuppens und stieg als Letzter ins Auto. Er drehte sich um und sah uns an. Danach schaute er zu Gerson hinüber.
    »Auf geht’s«, sagte er. »Sind alle startklar?« Als wenn wir bei rauer See in einem Rennboot unterwegs wärenoder auf einem schweren Motorrad, auf jeden Fall etwas Gefährliches, etwas Abenteuerliches unternähmen und nicht in einem lahmen schnodderfarbenen Auto säßen. Mit großen Bewegungen drehte er den Schlüssel im Zündschloss, und mit noch größeren Bewegungen legte er den Rückwärtsgang ein. Wenn das Steuer nicht im Weg gewesen wäre, hätte er am liebsten die Knie bis zum Kinn raufgezogen, bevor er die Kupplung und das Gaspedal trat.
    »Ist Daan auch startklar?«, fragte er sogar.
    Daan hörte seinen Namen und bellte.
    »Er sagt ja«, antwortete Gerard. »Wir fahren.«

    Wir haben später versucht, uns daran zu erinnern, worüber wir sprachen, im Auto an diesem Sonntagmorgen. Es macht nichts, dass man alles Mögliche vergisst. Man würde verrückt werden, wenn
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