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Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Titel: Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Autoren: Hanno Charisius Richard Friebe Sascha Karberg
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gefallen. Zunächst griffen weitere regionale Medien ihn auf. Aber bald hörte und las man den Begriff auch an der Westküste, und schließlich machte er die Runde um die ganze Welt.
    Die neuere Geschichte der DIY-Biologie reicht allerdings noch mindestens zwei Jahre weiter in die Vergangenheit zurück. Ende April 2006 schrieb der ungarische Bioinformatiker Attila Csordás (sprich: tschor-dasch) in einem Blog-Post 1 eine Ermunterung an all diejenigen, die einen Blick in ihr eigenes Erbgut werfen oder Stammzellen in der eigenen Küche züchten wollen. „Jeder hat das Recht, mit Biomolekülen zu arbeiten und sogar mit Zellen“, statuierte er, mahnte aber auch sogleich ethische Standards an: „Zellen und DNA sind ok, aber keine Experimente mit Tieren oder Menschen.“ Acht Monate später ließ er Taten folgen und veröffentlichte auf seinem Blog 2 eine bebilderte Anleitung, die in 21 Schritten zeigt, wie man aus der Plazenta eines Neugeborenen Stammzellen isolieren kann. Besonders schwierig dürften der dritte und vierte Schritt seines Protokolls sein:„Sprechen Sie mit der zukünftigen Mutter und dem Vater und überreden Sie sie dazu, die Zellen zu Hause zu lagern.“ Und: „Überzeugen Sie den Arzt davon, dass er die Plazenta nach der Geburt in eine sterile Flasche steckt und auf Eis lagert.“ Er schätzte die Kosten für das notwendige Equipment damals auf ein paar Tausend Dollar. Viel Geld, gibt er zu, es sei aber besser angelegt als bei dubiosen Unternehmen, die als Dienstleistung anbieten, Nabelschnurblut des Neugeborenen einzufrieren, die Hoffnung der Eltern ausnutzend, dass sich daraus bei Bedarf heilbringende Stammzellen für die Therapie von Krankheiten gewinnen ließen.
    Bei Csordás, der seine Idee damals bioDIY nannte, war die Zeit offensichtlich noch nicht ganz reif. Zwei Jahre später war es plötzlich anders, vielleicht auch, weil der Schauplatz jetzt nicht Budapest, sondern die Biotechregion Boston war. Plötzlich war die Aufmerksamkeit groß, sorgte der Hype für teilweise überzogene Erwartungen. Etablierte Wissenschaftler schwankten zwischen Freude über den Enthusiasmus der sich formierenden Gruppe und genervtem Kopfschütteln ob der plötzlich im eigenen akademischen Hinterhof „lärmenden Heranwachsenden“, wie Mac es formuliert. Jedenfalls wurde DIY-Bio zu einer Art Marke.
    Zurück im Sprout, nachdem wir den Weg dorthin nun zielstrebig und mit No-Bullshit-Blick durchschritten haben, zeigt das Display des Genkopierers an, dass es nun nur noch eine Viertelstunde dauert. Mac erklärt der Runde derweil, wie man die Pipetten benutzt. Mit den ein wenig wie schlanke Pistolen aussehenden Geräten kann man genau abgemessene Mini-Mengen Flüssigkeit von A nach B transferieren. Mac zeigt auch, wie man die winzigen Gefäße mit unseren Genkopien darin aufbekommt, ohne den Inhalt auf der Tischplatte zu verteilen, und wie man eine Probe davon mit der Pipette entnimmt, ohne den Rest zu verunreinigen. Dann ist noch wichtig, das winzige Tröpfchen Erbgut mit blauem Farbstoff zu versetzen, damit wir die Probe gleich besser sehen können, wenn wir sie in eine der etwa zwei mal fünf Millimeter großen Taschen im Gel spritzen, die der Kamm darin hinterlassen hat. Dann dürfen wir ran und die eigene DNA, die jetzt eigentlich gar nicht mehr eigene DNA ist, sondern nur eine Menge identischer Kopien davon, dem Gel, seinenPoren und dem elektrischen Strom übergeben. Danach schließt Mac die Elektroden an und schaltet den Strom am Netzgerät ein. Wieder warten.
    Mac glaubt, dass sich ein ähnliches DIY-Bio-Netzwerk auch ohne das Interview im Jahr 2008 und ohne ihn oder Jason Bobe gebildet hätte. „Vielleicht hätte es dann noch zwei oder drei Jahre gedauert. Aber alle Grundsteine waren bereits gelegt, als wir damit anfingen.“ Tatsächlich ist das Selber-Probieren und Basteln mit molekularer Biologie kein isoliertes Phänomen. Kaum eine traditionelle Branche ist sowohl in Amerika als auch in Europa seit Mitte der 90er Jahre so gewachsen wie die der Bau- und Heimwerkermärkte. Selbermachen können ist inzwischen mindestens so angesehen wie sich Fertiges oder gar Angefertigtes leisten können. In den USA hatte sich zudem früh eine spezielle Selbermach-Kultur entwickelt, die besonders durch die Möglichkeiten der Vernetzung im Internet Schwung aufnahm. Das Phänomen wurde von Medien aufgegriffen, Bastelmagazine wie Make und Messen wie Maker Faire entstanden und wurden in kurzer Zeit sehr erfolgreich. Es
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