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Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Titel: Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Autoren: Hanno Charisius Richard Friebe Sascha Karberg
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Fluoreszieren bringen, einfach weil sie es cool fänden. Viele von ihnen sind Menschen, die forschen, aber nicht durch die Mühlen der Universitäten gequetscht werden wollen oder können, Schulabbrecher, die das Potenzial, aber nicht die Leidensfähigkeit haben für eine akademische Laufbahn, Unternehmer, die die Biohacker-Gemeinschaft mit bezahlbarer Ausrüstung versorgen wollen, und auch Wissenschaftler in Ländern, in denen öffentliche Forschung nicht mit Milliardensubventionen bedacht wird.
    Kay und Mac sind die ersten von vielen Biohackern, die wir auf unserer Bildungsreise treffen. Wir sind unterwegs mit dem Ziel, selber Biohacker zu werden.
    Endlich hat jeder eine ausreichende Menge Speichel in seinem zum Probengefäß umgewidmeten Schnapsbecher gesammelt. Jetzt kommt die Wissenschaft. Man kann Molekularbiologie sehr kompliziert klingen lassen, dann hätte Kay nur sagen müssen: „Wir lysieren die Zellen, isolieren die DNA und amplifizieren sie dann.“ Stattdessen sagt sie: „In der Spucke schwimmen Zellen aus unserer Mundschleimhaut. Die werden wir jetzt auflösen, das Erbgut daraus befreien und schließlich sichtbar machen.“ Ein Tropfen Spülmittel ist die erste Zutat. Wir hätten auch Shampoo nehmen können, es geht im Wesentlichen um einen Inhaltsstoff, der in beiden Drogerieprodukten enthalten ist: Natriumdodecylsulfat, eine Substanz, die den Reinigungsprozess erleichtert, weil sie Fett auflöst. Dazu müsse man wissen, erklärt Mac, dass Zellen nichts weiter seien als kleine Fettbläschen. Das Detergenz löst die Membranen der Zellen auf und gibt deren Inhalt frei, darunter jede Menge Proteine und das eigene Erbgut, die DNA.
    Alle weiteren Schritte sind nur notwendig, um das Erbmaterial von dem übrigen Schlonz zu trennen, an dem wir heute nicht interessiert sind. Als Nächstes kommt ein Tropfen Kontaktlinsenreiniger dazu – kein Voodoo, versichert uns Mac, sondern Notwendigkeit. In dem Tropfen sind wie im Spülmittel verschiedene Substanzen, doch für uns wichtig sind bloß die sogenannten Proteasen. Das sind Enzyme, die andere Proteine zerstören. Ohne sie werden Kontaktlinsen nicht richtig sauber, und Erbgutmoleküle auch nicht. Damit der lange DNA-Strang halbwegs geordnet in die Zellkerne passt, wird er um Proteine herumgewickelt wie um Garnspulen. Wer also DNA „isolieren“ will, muss möglichst viel von diesen Ordnungshaltern loswerden. Wir traktieren sie also mit den Protease-Enzymen aus der Augenoptik, die ähnlich auch in Fleisch-Zartmacher, Pampelmusensaft oder manchen Waschmitteln enthalten sind.
    Den Cocktail mischen wir durch vorsichtiges Schwenken und würzen ihn mit einer Prise Salz. Dieser chemische Trick soll dazu führen, dass sich die noch in unserem Speichel gelöste DNA im letzten Schritt verklumpt. Das Ganze sollte man dann noch einmal eine Minute zwecks optimaler Vermischung locker aus dem Handgelenk schwenken.
    Es gibt außer Mac und Kay niemanden am Tisch, der sich dabei nicht zumindest ein bisschen lächerlich vorkommt. Endlich tritt derRum auf den Plan, und wir kommen zum handwerklich anspruchsvollsten Teil. Der Hochprozentige soll in einer Schicht über unserer Speichel-Detergenzien-Mixtur schwimmen und sich nicht damit mischen. Dazu gießen wir den Rum vorsichtig am Rand des Schnapsglases hinunter und beobachten, wie er sich als braunklare Schicht über die grautrübe Melange legt.
    Und dann stellen sich bei allen Teilnehmern die Härchen an den Unterarmen auf. Cutis anserina nennt das medizinische Lexikon das Phänomen, Gänsehaut in einem magischen Moment: Im braunen Rum schlängeln sich weiße Fäden nach oben. Sie sehen bei allen Teilnehmern gleich aus, sind aber sehr individuell. Es ist die DNA von jedem Einzelnen von uns. Dass sie plötzlich in den Rum hineinwächst, hat damit zu tun, dass sie in Alkohol kaum löslich ist, sondern eher in wässerigen Flüssigkeiten. Es ist wie mit einem Tropfen Öl in Wasser, er mischt sich nicht oder breitet sich breit auf der Oberfläche aus, sondern verhält sich so, dass er möglichst wenig Kontakt mit dem Wasser hat – als rundes Fettauge.
    Ähnlich verhält sich die DNA, wenn sie mit Alkohol in Berührung kommt: Sie knüllt sich an der Grenze zwischen Spucke und Schnaps zusammen, um ihre Oberfläche möglichst klein zu halten. Dabei zieht das immens lange Molekül immer mehr von seinem Faden aus der Probenlösung in den Alkohol hinein, bis wir es mit bloßem Auge als weiße Schlieren sehen können. Mac wendet zwar
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