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Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Titel: Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Autoren: Hanno Charisius Richard Friebe Sascha Karberg
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Während wir uns unterhalten, streichen uns die Katzen der Studenten-WG um die Beine. „Meine Regel ist, dass ich für die Heimexperimente nichts verwende, was giftig für Menschen oder Katzen sein könnte“, sagt Kay und streichelt einen ihrer vierbeinigen Mitbewohner. „Tatsächlich hat meine Katze einmal ein Stück Agarose-Gel gefressen.“ Geschadet hat dem Tier das nicht.
    Kay gilt heute – obgleich man es gerade aufgrund der informellen Natur der DIY-Bio-Bewegung nicht genau wissen kann – als diejenige, die als Erste ernsthaft mit einem konkreten Ziel und erfolgreich DIY-Biologie betrieben hat. Sie wollte wissen, ob sie ein Gen geerbt hat, das ihren Vater und einige andere in Kays Stammbaum an der Eisenspeicherkrankheit Hämochromatose hatte erkranken lassen. Bei Hämochromatose scheidet der Körper überschüssiges Eisen aus der Nahrung nicht aus, sondern lagert es in den Organen ab. Die Erkrankung tritt dann auf, wenn man von beiden Eltern je ein mutiertes Hämochromatose-Gen geerbt hat. Kay wollte im Heimexperiment prüfen, ob sie wie ihr Vater zwei defekte Genversionen hat. Wäre das der Fall, hätte sie noch rechtzeitig eine Therapie starten können, um bei sich Organschäden zu verhindern.
    Um ihre Frage zu beantworten, brauchte sie ihr eigenes Erbgut, gewonnen aus der Mundschleimhaut, und sogenannte Primer alsspezielle Zutaten für die in ihrem Schrank stehende Gen-Vervielfältigungsmaschine. Primer sind kleine, aber spezielle Stücke Erbmaterial, die es möglich machen, entweder das normale Gen zu vervielfältigen und später auf einem Gel sichtbar zu machen oder das krankhafte. Kay bekam sie über eine Biotech-Firma namens Codon Devices, für die sie eine Zeitlang gearbeitet hatte.
    Tatsächlich fand sie in ihrem Erbgut die mutierte Genkopie ihres Vaters. Sie konnte aber auch das intakte, von ihrer Mutter vererbte Gen bei sich nachweisen. Das heißt, sie wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht an Hämochromatose erkranken, da für den Ausbruch der Krankheit beide Genkopien defekt sein müssen.
    Neue Wissenschaft, wie sie aus Profi-Laboren erwartet wird, war Kays Arbeit nicht, aber eine neue Weise, Wissenschaft anzuwenden: persönlich, individuell, und von der betroffenen, interessierten Person selbst durchgeführt.
    Sie hätte auch einfach einen Gentest bei einem Arzt machen lassen können so wie ihr Vater. Es waren dessen eher schlechte Erfahrungen, die sie dazu antrieben, es selbst zu versuchen: „Der Doktor drückte ihm nur ein zehnseitiges Dokument in die Hand, das eigentlich für Genetiker, nicht für Laien bestimmt ist“, erzählt Aull. „Mein Vater ist Ingenieur, kein Biologe, und quälte sich, das alles irgendwie zu verstehen.“ Das habe sie motiviert, den Gentest selbst zu versuchen, um „Leuten in einer ähnlichen Situation klarzumachen, dass Gentests keine Zauberei sind, sondern auch nicht schlimmer als ein Ölwechsel am Auto.“
    Dazu kam eine große Portion Ehrgeiz. Sie wollte zeigen, dass man „so etwas“ in einem improvisierten 500-Dollar-Labor genauso bewerkstelligen kann wie in einem Institut mit Millionen-Budget. Dafür musste sie nicht die Wissenschaft oder auch nur einzelne Techniken neu erfinden, sondern nur die Art, Wissenschaft zu betreiben. Bei ihr kommt es eher auf Kreativität und Improvisationsfähigkeit an, und nicht auf die beste Ausrüstung. „Das Aufregendste an DIY-Biologie ist, dass es jeder tun kann, es ist keine Magie, sondern Chemie“, sagt Kay Aull.
    In ihrem Schranklabor hätte sie auch nach Erbanlagen für andere Krankheiten wie zum Beispiel Parkinson oder manche Formen von Krebs suchen können. Doch anders als bei Hämochromatose hättesie dann mit der Diagnose nicht viel mehr anfangen können, als mit der Last dieses Wissens zu leben, bis die ersten Beschwerden auftreten. Denn bei den meisten Krankheiten, deren Risiko genetisch bestimmt oder zumindest mitbestimmt ist, gibt es bislang kaum oder keine Möglichkeiten, das Ergebnis eines Gentests zur Vorbeugung zu nutzen. „Jeder Mensch trägt solche genetischen Geheimnisse in sich, das Wissen darum kann sehr belastend sein“, sagt Kay.
    Wer Do-it-yourself-Biologie betreibt, macht sich besser vorher Gedanken, ob die Resultate auch Schaden anrichten oder andere unbeabsichtigte Konsequenzen nach sich ziehen könnten.
    Erstaunlich ist nicht nur, was Kay Aull mit einfachsten Mitteln über sich herausfinden konnte, sondern auch, wie wenig sie das Ganze – von Gebrauchtgeräten bis hin zu den
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