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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)
Autoren: Philipp Möller
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Fistelstimme.
    »Und wie!«, brüllt der Angesprochene zurück. »Ich bin der rote VW -Bus, den du eben abgedrängt hast!«
    Der Raser zuckt mit den Schultern und begeht dann einen großen Fehler: »Hören Sie mal, über mein Reisetempo entscheide ich immer noch ganz allein.«
    Wer hat doch gleich gesagt, dass die Freiheit der Faust dort endet, wo die Nase des anderen beginnt? Ich habe es vergessen, aber selbstverständlich gilt die Maxime auch für die Freiheit des Boxermotors, die an der Stoßstange des Vordermanns aufhört. Offenbar ist diese Erkenntnis jetzt auch im Hirn des Rasers angekommen, und langsam merkt er, dass an seinem Statement irgendetwas nicht stimmt. Angesichts des Bullyfahrers ist das auch kein Wunder, der hat inzwischen nämlich Schaum vorm Mund.
    »Willste mich verarschen?«, brüllt er und geht auf den PS -Freak los, wird aber von seinem Kumpel fest- und damit davon abgehalten, in einem Anfall von Selbstjustiz Rache mit Recht zu verwechseln.
    »Karl, reiß dich zusammen!«, ruft der Anstandsmann. »Das bringt doch …«
    »Der Typ war kurz davor, meine Familie ins Jenseits zu befördern«, brüllt Karl, »und erzählt mir hier noch was von eigener Entscheidung!« Tränen schießen ihm in die Augen, als er mit aller Kraft versucht, sich aus dem Griff des Freundes zu befreien. »Ich hab drei kleine Kinder im Auto! Willst du die auf dem Gewiss…«
    Weiter kommt er nicht, die letzten Worte bleiben ihm vor Wut im Halse stecken. Dann wandelt sich seine Rage in Verzweiflung. Er wendet sich ab, atmet ein paar Mal tief ein und aus und wischt sich schnaufend über die Augen. Nur noch die Housemusik, die aus der offenen Tür des Porsche wummert, ist zu hören.
    Aus ein paar Metern Entfernung beobachte ich mit den Kaffeebechern in der Hand die Szene und ringe um meine Zurückhaltung. Ob ich mich als Zeuge anbieten und eine gemeinsame Anzeige gegen den Turbofritzen vorschlagen soll? Zwei Aktionen könnte ich ja immerhin zu Protokoll geben. Wäre das dann spießbürgerliches Denunziantentum oder angebrachte Zivilcourage?
    Während sich mein Hirn noch in rechtsphilosophischen Dilemmas übt, scheint der Daddy etwas lösungsorientierter an das Problem heranzugehen. Mit einem Blick signalisiert er seinem Freund, ihn loslassen zu können, dann geht er langsam auf den Raser zu. »Nächstes Mal polier ich dir die Fresse«, erklärt er ihm in einem sehr ruhigen Tonfall und stößt dann den Kaffeebecher um, dessen brauner Inhalt dem Porschefahrer auf die helle Hose läuft. »Du kleiner Pisser, du!«
    Als die beiden Männer abziehen, hinterlassen sie einen leise fluchenden Yuppie, der ohne seine 400 Pferdestärken und mit einem großen Kaffeefleck im Schritt einen ganz anderen Eindruck hinterlässt als auf der Rennbahn.
    Ich reiße mich von dem bizarren Anblick los und gehe zu Sarah, der ich die Szene so brühwarm erzähle, wie ich mir das scheußliche Raststättengesöff in meinem Becher gewünscht hätte.
    »Krieg«, sagt Sarah kopfschüttelnd. »Auf Deutschlands Straßen herrscht automobiler Krieg!«
    Ich übernehme wieder das Steuer, und bis München halten wir uns erfolgreich aus allen Straßenschlachten heraus. Hinter dem Stadtverkehr der Bayernmetropole wartet die A8 Richtung Salzburg auf uns. Im geschwindigkeitsbegrenzten Österreich beruhigt sich der Verkehr allmählich, sodass wir auf die linke Spur wechseln und uns jetzt wunderbar über diejenigen aufregen können, die konsequent zu langsam fahren.
    Alles also nur eine Frage der Perspektive?
    Schon nach wenigen Kilometern merken wir: Im Nachbarland fahren wir dank der Maximalgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern sehr viel entspannter – selbst auf der linken Spur. Auf Sarahs Frage, warum es in Deutschland eigentlich keine durchgängige Geschwindigkeitsbegrenzung gibt, zucke ich mit den Schultern. »Manche Menschen fühlen sich wahrscheinlich eingeschränkt, wenn man ihnen das Recht nimmt, mit 300 Sachen über die Piste rasen zu können.«
    German Autobahn – ein weltweites Gütezeichen für die vollkommene Fehlinterpretation des Freiheitsbegriffs? Derlei Missverständnisse schafft sonst nur noch die Partei mit der schwedischen Farbgebung … Woher kommt eigentlich das deutsche Grundrecht, dass jeder so schnell fahren darf, wie seine Karre es hergibt? Als es Politiker im Zuge der Ölkrise wagten, laut über ein Tempolimit nachzudenken, reagierte der ADAC prompt mit dem Motto: Freie Fahrt für freie Bürger! Damit sprach der Auto-Lobbyist der
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