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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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bemerkt hatte. Hinter ihr stand in der Tür zum Büro seine Sekretärin Monique mit zusammengekniffenen Lippen und Tränen in den Augen.
    »Guten Tag, Antoine Becker!«, sagte die Unbekannte mit unsicherer Stimme und nahm ihre dunkle Brille ab.
    Sie hatte ein hübsches, einnehmendes Gesicht und braune, ins Blond spielende Haare, die ihr in großen Locken auf die Schultern fielen. Er sprang mit einem aus tiefster Brust kommenden gurgeln-den Laut auf und umfasste ihre Schultern. Dann betrachtete er sie erneut, bemüht, seine Bewegtheit durch übertriebene Überra-schungsbekundungen zu kaschieren, und drückte sie wieder an sich.
    »Laurence! Aber ich wusste doch nicht… Warum haben Sie denn nicht angerufen? Seit zwei Tagen schon schlagen wir uns mit diesen Blödianen von der Botschaft herum, um endlich etwas zu erfahren!«
    Er spürte den Druck eines zarten Körpers, der von einem kaum wahrnehmbaren Zittern erfasst wurde.
    »Ach, das Telefon … Sie wissen ja …«, erwiderte sie mit einem Achselzucken. »Habe ich mich so verändert?«
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    Er machte sich von ihr los und schob sie etwas von sich weg, um sie genauer betrachten zu können. Dabei verzog er den Mund, um anzudeuten, dass sie mit einer offenen, ehrlichen Antwort rechnen könne. Dann aber wurde er vor ihren blauen Augen schwach und beschloss, lieber nichts zu sagen. Natürlich hatte sie sich verändert, und wie! Damals hing ihr Porträt an allen Hauswänden. ›Freiheit für Laurence Descombes!‹, wurde auf diesen Plakaten gefordert.
    Und jetzt hätte er sie um ein Haar nicht erkannt. Er fragte sich, was an ihr heute so anders war.
    »Ich habe viel an Sie gedacht«, sagte sie. »Ich habe mir viele Fragen gestellt, die Sie betrafen. Im Grunde kenne ich Sie ja kaum.«
    Antoine dachte verblüfft: »Jetzt taucht sie nach so vielen Jahren auf und spricht über mich! Das darf doch nicht wahr sein!«
    »Ja, glauben Sie denn nicht, dass wir hier uns ebenfalls ständig Gedanken über Sie gemacht haben?«, betonte er. »Ich darf Ihnen sagen, dass ich nie die Hoffnung aufgegeben habe … Aber ich muss Ihnen auch gestehen, dass ich fast nicht mehr daran glauben konnte. Selbst jetzt fällt es mir schwer, es zu glauben. Wann sind Sie denn angekommen?«
    »Sozusagen gerade jetzt, heute Morgen. Wir haben in letzter Minute ein anderes Flugzeug genommen, um den Journalisten zu entgehen. Aber der Typ von der Botschaft hat es übertrieben mit dem
    ›Personenschutz‹. In Orly bin ich ihm entwischt und habe ein Taxi genommen. Der Fahrer hat ununterbrochen geredet, ohne wirklich etwas zu sagen. Mir war das ganz recht so.«
    »Sie sind also direkt hierher gefahren? Und Ihre Eltern?«
    Antoine hatte die ganze Zeit über die Hände der jungen Frau nicht losgelassen. Nach fünf Jahren Gefangenschaft war sie in Paris gelandet und als Erstes zum Sitz von Harmonices Mundi geeilt…
    Das war großartig! Er war sich seines Unvermögens bewusst, die richtigen Worte und spontanen Gesten zu finden, um seine Ge-fühle auszudrücken. Seine Frau Catherine hatte wohl Recht, wenn 32

    sie ihn einen ›Gefühlsmuffel‹ nannte.
    »Die habe ich gleich von der Botschaft aus angerufen«, beantwortete sie seine Frage. »Ich wollte nicht, dass sie mich in Paris abholen. Nach Saint-Brieuc fahre ich morgen. Ich möchte sie lieber zu Hause wiedersehen.«
    »Selbstverständlich! Und wann wollen Sie … Sie können sich ja sicher vorstellen, dass wir von den Medien förmlich belagert werden, seit das Rote Kreuz Ihre Freilassung bekannt gegeben hat…
    Man muss eine Pressekonferenz veranstalten, darum kommen wir nicht herum. Vielleicht heute Nachmittag? Nun, darüber reden wir später noch. Im Augenblick gibt es ja so vieles, was man sich zu sagen hat. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
    Er ließ jetzt endlich ihre Hände los und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, Platz zu nehmen. Dann ging er in das Büro neben-an. Dort ließ ihn Monique mit gesenkter Stimme wissen, die Dele-gation aus Kambodscha sei soeben eingetroffen.
    »Sagen Sie Gerard, dass er sie etwas hinhalten muss. Er soll ihnen mitteilen, dass unvermutet gerade Laurence Descombes zu uns gekommen ist. Das ist doch ein Knüller, was? Und das gibt ihnen auch das Gefühl, wichtig zu sein …«
    »Sie ist sehr mager geworden … Das ist so merkwürdig, sie plötzlich leibhaftig vor sich zu sehen. Dadurch, dass man so lange von ihr gesprochen hat, ist sie irgendwie … unwirklich geworden. Sie ist mir beim Hereinkommen gleich um den Hals
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