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Bilder von A.

Titel: Bilder von A.
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Kinder, der Mann war weiß Gott wo und hatte die Kinder eingeschlossen. Ich besuchte sie ein paar Mal in der Anstalt und dachte bei mir, immer hat sie »widmen, geben, schenken« gesagt, und dabei hat sie nurhingeworfen, wie man an der Sache mit dem Schlüsselbund sah.
    Damals war ich wohl selbst nicht weit entfernt von solchem Wahn.
    A. ist jetzt tot.

 
    Was für ein blonder, blauäugiger Gewittergoi, so ein richtiger Germane, Teutone, Ostgote und auch noch Preuße, rief meine Mutter entsetzt aus, als sie A. kennengelernt hatte. Und der Name! Wie kannst du dich denn in so einen verlieben!
    Ich fand ihre Erregung ziemlich unpassend und sagte ihr auch, daß solche Reden eine Zumutung für mich seien, denn schließlich sei sie, im Gegensatz zu den meisten anderen Juden, nach allem, was geschehen war, wieder in dieses germanische Land, das Land der Teutonen und Ostgoten, zurückgekehrt und habe sich da eingerichtet, das sei doch ihre freie Entscheidung gewesen und nicht meine, und nun solle sie sich bitte nicht beklagen, daß ihre Tochter einen blonden, blauäugigen germanischen Typ, wie er im Brandenburgischen besonders häufig anzutreffen sei, zum Geliebten habe. Daß in Deutschland Deutsche und in Preußen Preußen leben, sei ja wohl normal, es sei ihr natürliches Siedlungsgebiet, und das habe sie doch vorher gewußt. Ich schrie sie sogar an, obwohl ich wußte, daß sie solche emotionalen Ausbrüche überhauptnicht mochte und mit eisigem Schweigen, das bis zu drei Tagen dauern konnte, darauf reagierte. Ein bißchen war sie sich wohl der Widersprüche, in denen sie lebte und in die sie mich hineingeboren hatte, bewußt, und so haben wir uns später darauf einigen können, daß A. wie ein amerikanischer Baseballspieler aussehe, die zwar auch Gojim, aber doch nicht so schlimm seien, denn immerhin hatten die Amerikaner Buchenwald befreit. In dieser Vorstellung konnte sie A. irgendwie akzeptieren, abgesehen davon, daß sie ja auch schon viele seiner Inszenierungen gesehen und bewundert hatte.
    Später, viel später, als ich in Frankreich und meine Mutter wieder in Wien lebte und A. dort für ein paar Jahre engagiert war, freundeten die beiden sich richtiggehend an, hinter meinem Rücken sozusagen. Ich war sogar ein bißchen eifersüchtig auf ihre so einfache Freundschaft, die auf gegenseitigem Respekt beruhte, aber vielleicht war ja auch ihrer beider Liebe zu mir das unsichtbare Band zwischen uns dreien, das uns aus der Ferne verband. Ich hatte A. die Wiener Adresse und Telefonnummer meiner Mutter gegeben, und er hatte sie sofort angerufen, nun trafen sie sich im Café Landmann , und ich hätte zu gern gewußt, worüber sie sich dort unterhalten haben, ich nehme an, über Weltpolitik. A. schrieb mir, meine Mutter vermittle ihm etwas Heimatliches, weil sie ja, im Gegensatz zu ihm, eine echte Wienerin sei. Dabei war ihre Rückkehr nach fünfzig Jahren in der Fremde für sie auch nicht gerade ein Kinderspiel gewesen, aber A. nahm sie eben als Wienerin; immerhin hatte sie ja ihrenAkzent und Wortschatz nie ganz verloren, sagte Marillen für Aprikosen, Reindl für Topf, Spagat für Schnur, das gefiel ihm gut. Er lud sie zu seinen Theaterpremieren ein und reservierte ihr und ihren Freundinnen Freikarten für extra gute Logenplätze. Von den Aufführungen berichtete dann wiederum sie mir ganz begeistert und ausführlich, schickte mir Besprechungen, die sie sorgfältig aus den Zeitungen ausgeschnitten hatte, und war plötzlich ganz stolz auf den Gewittergoi, dessen Anblick sie einst so entsetzt hatte. A. hingegen spielte seine Erfolge immer so weit wie möglich herunter, ja er schrieb sogar, daß ihn der Erfolg anstinke, und als er einmal irgendeinen europäischen Theaterpreis verliehen bekam, fragte er sich bloß, ob das überhaupt seriös und nicht eher peinlich sei und er sich dafür schämen müsse, der Schickeria in Wien oder den Pariser Lackaffen etwas vorzusetzen, das ihren Beifall und ihr Gefallen finde. Denn die wüßten doch gar nichts von irgendeiner Wahrheit dieser Welt, sondern würden in ihrem Schickeria-Lackaffenleben doch bloß den ganzen Tag lügen und sich belügen lassen.
     
    Mein Vater verstand sich dagegen von Anfang an blendend mit A. und A. mit ihm. Wir gingen manchmal abends zu dritt ins Ganymed essen, dem einzigen Restaurant in Ostberlin, wo es ein chinesisches oder sonst irgendwie ostasiatisches Gericht gab, oder das wenigstens so tat und so hergerichtet war, als ob, und unter dem Namen
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