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Big Bad City

Big Bad City

Titel: Big Bad City
Autoren: Ed McBain
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wissen, daß diese Stadt groß ist. Es ist nicht ganz einfach, jemandem aus Overall Patches, Indiana, zu erklären, daß sein gesamtes Kaff’m eine winzige Ecke des kleinsten der fünf Bezirke dieser Stadt passen würde und es trotzdem noch mehr als ausreichenden Platz für ganz Two Trees, Wyoming, und Sleepy Sheep, South Dakota, gegeben hätte.
    Die Stadt war auch gefährlich. Das war das nächste, was man wissen mußte. Die beruhigenden Bulletins des Bürgermeisteramts konnte man vergessen. Man sollte den Bürgermeister mal nachts um zwei Uhr ohne Begleitung durch irgendeine der öden Mondlandschaften dieser Stadt spazieren lassen und dann am nächsten Morgen an seinem Krankenhausbett ein Interview mit ihm über niedrige Verbrechensraten und verstärkte Polizeipräsenz führen. Es reichte aber schon, wenn man sich jeden Abend die ersten zehn Minuten der Elf-Uhr-Nachrichten ansah, um anschaulich demonstriert zu kriegen, was die Bewohner dieser Stadt anderen Bewohnern dieser Stadt antun konnten. In den Elf-Uhr-Nachrichten des gestrigen Abends war die unbekannte tote Nonne erstmals der breiten Öffentlichkeit präsentiert worden, die jeden Tag Berichte über Leichen sah, die man auf Müllkippen oder in dreckigen Badewannen gefunden hatte. In dieser Stadt passierte so etwas zu jeder Tages- und Nachtstunde, und zwar in allen Teilen der Stadt.
    Wenn man also hierher kam und dachte: Herrje, hier passiert ein hübscher kleiner Mord in einem hübschen kleinen Stadthaus, und eine weißhaarige Dame wird ihn aufklären, wenn sie sich nicht gerade um ihren Rosengarten kümmert, war man zur falschen Jahreszeit in der falschen Stadt. In dieser Stadt mußte man auf der Hut sein. In dieser Stadt kam es ständig und überall zu solchen Zwischenfällen, und man mußte kein Polizist sein, um das Böse im Wind zu riechen.
    Sie war am gestrigen Abend von der Arbeit nach Hause gekommen und hatte festgestellt, daß ihre Wohnung »ausgeraubt« worden war, wie sie es ausdrückte, als sie die Polizei anrief. Die beiden uniformierten Cops, die daraufhin bei ihr vorbeischauten, klärten sie auf, der richtige Ausdruck sei, bei ihr sei »ein Einbruch begangen« worden, als ob das irgendeine Rolle spielte, verdammt noch mal, und stellten ihr dann jede Menge dumme Fragen über »Zugang« und »Sicherheitslücken«, was wohl heißen sollte: Wer hat einen Wohnungstürschlüssel, und welches Fenster ist von der Feuerleiter aus erreichbar? Und nun - es war ja erst ein Tag verstrichen und der Täter schon längst über alle Berge - standen zwei Detectives in Zivil vor ihr und stellten die gleichen dummen Fragen noch einmal. Ihre beste Freundin, Sylvia, bei der man im vergangenen Jahr ebenfalls im August eingebrochen hatte, hatte ihr gesagt, in dieser Stadt sei kein einziger Fall bekannt, bei dem die Cops den Einbrecher gefaßt oder das Diebesgut gefunden hatten, das alles sei reine Zeitverschwendung, und man würde so nur das Geld der Steuerzahler zum Fenster rauswerfen. Aber hier waren sie nun, um zwanzig nach eins am Tag nach dem Einbruch, an einem frühen Samstagnachmittag, an dem sie noch Hunderte von Dingen zu erledigen hatte.
    »Es tut mir leid, daß wir Sie noch mal stören müssen«, sagte der Glatzkopf. Sie war überzeugt, daß er sich als Meyer Meyer vorgestellt hatte, aber so hieß doch kein Mensch, das war doch unmöglich, oder? Er war groß und kräftig, trug hellblaue Hosen und eine leichte Sportjacke, sein Hemdkragen war offen, und er trug ihn über dem Jakkenkragen, wie amerikanische Teenager ihn in den vierziger Jahren und die russischen Gangster ihn heutzutage trugen, jedenfalls den Bildern nach zu urteilen, die sie in Life gesehen hatte.
    »Wann sind Sie gestern von der Arbeit nach Hause gekommen?« fragte der Blonde. Er sah recht gut aus, wenn man auf diesen typischen Midwestern-Look stand, vor Gesundheit strotzende Menschen, für die Apfelkuchen und Schokoladenmilch das höchste der Gefühle waren. Er war zwei, drei Zentimeter größer als sein Partner und hatte genauso breite Schultern. Beide waren wohl Mitte bis Ende Dreißig, schätzte sie, und damit zu jung für sie. Was aber nicht hieß, daß sie überhaupt interessiert war. Annie Kearnes war zweiundvierzig Jahre alt, fast genau auf den Tag, am vergangenen Dienstag, dem 18. August, hatte sie Geburtstag gehabt, Löwe, wie sie voller Stolz zu bemerken pflegte, wenn sie sich zum ersten Mal mit einem Mann verabredete. Annie verabredete sich oft mit Männern. Sie fragte sich, ob
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