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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten
Autoren: Tom Knox
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Möglichkeiten wählen zu können.«
    Rouvier nickte zustimmend: »Sie sind eine außerordentlich kluge und weitblickende Frau, Miss Kerrigan. Ihre Hypothese zu den Höhlen und Schädeln, sie war richtig!«
    »Das war Ghislains Hypothese.«
    »Nein«, erklärte er bestimmt. »Es war Ihre. Sie wissen doch gar nicht, was er in diesem Artikel geschrieben hat. Entweder haben Sie es wiederentdeckt, oder Sie haben es weitergeführt, und ich bin sicher, dass Sie eine bessere Theorie entwickelt haben. Deshalb ist es Ihre.«
    Man hörte nichts als den Regen, der verhalten auf das Autodach klopfte.
    Inzwischen war es nicht mehr weit zu Annikas altem Häuschen. Bei diesem Gedanken stiegen wieder Gefühle der Angst und der Trauer in Julia auf, die sie mühsam zu unterdrücken versuchte. Das ist nur ein Ort. Nur ein altes Haus. Mehr nicht. Nur ein altes Haus.
    Hastig erklärte sie: »Ich habe mir für zwei Monate ein kleines Bauernhaus gemietet. Es ist im Nachbardorf von Vayssière. In Les Combettes. Im Winter ist die Miete sehr günstig.«
    Rouvier nickte. »Das wundert mich nicht. Im Winter fliehen die meisten Leute von hier. Das ist schließlich nicht Juan les Pins im August. Man sollte Ihnen etwas dafür bezahlen, dass Sie hier wohnen.« Er lächelte ihr freundlich zu. »Aber wird es hier oben nicht ein bisschen arg einsam werden?«
    »Die Einsamkeit macht mir nichts.«
    »Und … Mr Carmichael?«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Das war einmal.«
    »Bien sûr.« Er nickte. Hinter der nächsten Kurve tauchte Vayssière vor ihnen auf. »Das kenne ich leider nur zu gut. Ich bin geschieden. Ah … dieser Regen. Il pleure … «
    »Dans mon cœur, comme il pleut sur la ville?«
    Beide lachten leise. Er hielt wenige Meter vor Annikas Haustür. Julia schaute aus dem Autofenster. Ja, ihr Wagen stand noch da, wo sie ihn vor Wochen hatte stehen lassen, als sie losgefahren waren, um Ghislains Leiche zu identifizieren.
    Wie ein Chauffeur kam Rouvier auf die Beifahrerseite des Autos und öffnete ihr die Tür. Dann half er ihr, ihr Gepäck zu ihrem Auto zu tragen und es auf dem Rücksitz zu verstauen. Keiner von beiden schaute dabei zu Annikas Häuschen. Zum kleinen Fenster von Annikas Wohnzimmer.
    Als alle ihre Sachen im Auto waren, verbeugte sich Rouvier und küsste ihr auf eine ganz selbstverständliche Art die Hand. Dann richtete er sich wieder auf und sagte: »Wenn die Einsamkeit einmal zu schlimm werden sollte, müssen Sie mich unbedingt anrufen. Dann können wir im Trubel von Mende einen Pastis trinken.«
    »Danke. Hört sich nicht schlecht an. In der großen Stadt.«
    Sie tauschten wieder ein Lächeln. Es war durchsetzt von Traurigkeit. Rouvier stieg in sein Auto, startete den Motor und fuhr davon.
    Julia blieb noch eine Weile angespannt im Regen stehen; sie konnte die Präsenz der Vergangenheit spüren. Dann stieg sie in ihr Auto und fuhr zum nächsten Dorf. Nach Les Combettes.
    Sie brauchte nur zwei Stunden, um sich in ihrem neuen Zuhause einzurichten. Von der Küche des Hauses hatte man einen guten Blick auf die Menhire. Ebenso von dem Fenster, an dem ihr Schreibtisch stand. Aber sie interessierte sich nicht für den Blick. Stattdessen setzte sie sich an den Schreibtisch, packte ihren Laptop aus und stellte ihn neben eine Flasche Wasser.
    Ihre Finger verharrten über der Tastatur. Sie öffnete eine neue Datei und begann zu tippen.

    GEDANKEN ÜBER DIE URSPRÜNGE VON SCHULDBEWUSSTSEIN UND GEWISSEN IN DEN PALÄOLITHISCHEN HÖHLEN FRANKREICHS UND SPANIENS.

    Einen Augenblick lang blickte sie nachdenklich auf die Wörter auf dem Bildschirm. Dann löschte sie den Satz und richtete den Blick auf die Leere, auf die Regentropfen an der Fensterscheibe, auf die Wiesen, die Heidelandschaft. Ein Speer fahlen Sonnenlichts hatte sich durch die Wolken gebohrt; er fiel auf die Felder und ließ das regennasse Federgras flüchtig aufblitzen: eine unvermutete Juwelenernte. Sie versuchte es erneut:

    DIE TRAURIGEN HÄNDE VON GARGAS: ÜBER DIE ENTSTEHUNG VON SCHULDGEFÜHLEN UND RELIGION IN DER EUROPÄISCHEN EISZEIT.

    Sich selbst zunickend, nahm sie einen Schluck Wasser. Dann fügte sie drei weitere Wörter hinzu.

    VON JULIA KERRIGAN.

DANKSAGUNG
    I ch bin vielen Autoren, deren Bücher ich im Lauf der Jahre zu den verschiedenen Themen dieses Romans gelesen habe, zu Dank verpflichtet. Besonders tief stehe ich jedoch in der Schuld von Karen Armstrong, Nic Dunlop, Dith Pran, Haing Ngor, David Lewis Williams, Jean Guillaine und Jean Zammit, Steven A.
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