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Bezaubernd

Bezaubernd

Titel: Bezaubernd
Autoren: Emma Green
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los?!“
    Als er sieht, wie verstört ich aussehe und klinge, richtet sich Gabriel auf und nimmt mir das Telefon aus der Hand, um den Lautsprecher zu aktivieren. Wir hören aus dem Hintergrund ein Geräusch wie ein ersticktes Schluchzen, dann bricht Silas' Stimme am anderen Ende der Leitung.
    „Ich glaube, sie hatte eine Fehlgeburt … Da war so viel Blut … Ich weiß nicht … Camille hat nach dir gefragt … Dann haben sie sie weggebracht … Verdammt, warum …“
    „Wir fahren sofort los! In welchem Krankenhaus seid ihr, Silas?“, schreit Gabriel und nimmt die Dinge in die Hand, während ich kopflos durch das Zimmer renne, mir Jeans und ein sauberes T-Shirt anziehe und mein Herz in meiner Brust fast explodiert.
    Ich bekomme nur einige Gesprächsfetzen mit und schreie Fragen in den Salon, während ich mich fertigmache und meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammenbinde.
    „Geht es ihr gut? Gabriel, geht es Camille gut?“
    „Sie ist im OP“, antwortet er mir und spricht dann weiter mit seinem Bruder. „Verlier nicht die Nerven, Silas, wir sind in einer Viertelstunde da. Schaffst du es bis dahin?“
    Wir rasen mit Gabriels Porsche Cayman durch die beleuchteten Straßen. Paris ist mir bei Nacht noch nie so kreischend hell, blendend, abscheulich erschienen. Ich hasse die Grüppchen von fröhlichen Freunden, die vor den Bars laut sprechen, die Pärchen, die eng umschlungen auf den Gehsteigen schlendern, die unbedarften Menschen, die einfach so über die Straße spazieren und uns damit aufhalten. Gabriel streichelt mit seiner so starken und gleichzeitig so sanften rechten Hand unentwegt meinen Schenkel, kann mich jedoch nicht wirklich beruhigen. Ich starre aus dem Fenster, kaue an meinem Daumennagel und denke an diese neuerliche Prüfung, vor die meine Familie gestellt wird.
    Was haben wir nur verbrochen, dass wir einfach nicht in Ruhe gelassen werden?
    Wir treffen Silas auf dem Parkplatz der Notaufnahme, als er nervös an einer Zigarette zieht und dabei mit der freien Hand seine Haare rauft. Er sieht mitgenommen aus, seine Augen sind rot. Gabriel umarmt ihn fest und wir gehen in den Warteraum. Obwohl ich alle Mitarbeiter am Empfang darum anflehe, kann uns niemand etwas sagen, es wird noch mehrere Stunden dauern. Ich überlege, meine Eltern anzurufen, aber ich will ihnen die Sorge im Moment noch ersparen.
    „Man kann doch an einer Fehlgeburt nicht sterben, oder?“
    „Niemand stirbt hier heute Abend, Amande, setz dich.“
    „Ich will mich nicht setzen, ich will zu ihr.“
    „Das ist nicht normal, dass das so lange dauert“, sagt Silas nervös. „Gestern Abend ist es ihr wunderbar gegangen. Wie ist das möglich?“
    „Hat sie viel Blut verloren?“, frage ich zum zehnten Mal.
    „Ich weiß es nicht, Amandine! Wie viel ist viel? Ich habe Camille weinend auf der Toilette gefunden, sie hat sich umgezogen, und als wir hier ankamen, war alles voll Blut. Sie hatte unheimliche Schmerzen.“
    „Das reicht jetzt, ihr beiden!“, schreit Gabriel. „Es bringt überhaupt nichts, diese Szene immer und immer wieder zu erzählen. Wer will Kaffee?“
    Ein Arzt kommt und unterbricht uns, um uns die Situation zu erklären. Camille hatte eine blutige Fehlgeburt, man musste eine Kürettage durchführen und sie benötigte Bluttransfusionen. Sie muss über Nacht auf der Entbindungsstation des Krankenhauses bleiben, sollte aber morgen wieder entlassen werden können. Der Arzt erlaubt uns, sie kurz zu besuchen, und warnt uns vor, dass sie noch unter Schock stehe und seit dem Aufwachen aus der Narkose ziemlich aggressiv sei.
    Etwas anderes hätte ich von meiner Schwester nicht erwartet.
    Sie lebt!
    Wir drei gehen in ihr Zimmer, das sich einige Etagen weiter oben befindet. Silas wirft sich fast auf sie, um sie zu küssen, zu umarmen und sie und sich selbst zu trösten. Camille stößt ihn brutal weg.
    „Du musst hier nicht sein. Es ist aus, ich bin nicht mehr schwanger, du kannst verschwinden und Eleanor suchen …“
    „Camille, was …“
    „Sagt ihr es ihm! Und lasst mich verdammt noch mal in Ruhe.“
    Die Augen meiner Schwester blicken ins Nichts, sie verschränkt die Arme vor der Brust und verschließt sich. Voller Groll und Trauer ist sie für uns unerreichbar. Silas ist ratlos und dreht sich zu uns. Ich blicke zwischen den Brüdern hin und her. Es ist das gleiche blasse Gesicht, der gleiche Gesichtsausdruck zwischen Angst und Unverständnis. Gabriel ergreift das Wort.
    „Silas, ich wollte nicht, dass du es so
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