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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft
Autoren: Rainer Wollny
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( Modellrevision ).
4.2.4 Wozu dient die Modellsimulation?
    Die Modellsimulation kennzeichnet die systematische Variation einzelner Modellvariablen. Bei konkurrierenden Bewegungsfertigkeiten dient das Experimentieren mit dem Modell der Analyse oder der Optimierung sportmotorischer Lösungsmöglichkeiten (Starttechniken: Eisschnelllauf, Leichtathletik, Rennrodeln, Schwimmen, Sprungtechniken: Hoch-, Weitsprung, Skispringen, Spielsportarten). Des Weiteren eignet sich die Modellsimulation für die Entwicklung neuartiger Bewegungstechniken oder die Abschätzung der Veränderung sportmotorischer Leistungen in Abhängigkeit von der Variation verschiedener biomechanischer Einflussfaktoren. Ein Beispiel für die Schätzung der Einflusshöhe einzelner Bewegungsmerkmale auf die Weitsprungleistung stellt das in Abschnitt 4.2.2 besprochene Weitsprungmodell von B ALLREICH dar.
    Durch das systematische Experimentieren mit dem Weitsprungmodell von B ALLREICH (1996) kann der Nutzer die Einflusshöhe der horizontalen und vertikalen Abfluggeschwindigkeit auf die komplexe Weitsprungleistung bestimmen. Oder, anders ausgedrückt, um welchen Betrag nimmt die Sprungweite zu oder ab, wenn diese beiden Bewegungsmerkmale um einen spezifischen Wert verändert werden? Zur Berechnung der Einflusshöhe bestimmter biomechanischer Merkmale auf die Weitsprungleistung modifiziert B ALLREICH in einer multivarianten Gleichung die interessierende Variable um eine Standardabweichung, während die anderen in die Regressionsgleichung eingehenden Faktoren konstant bleiben. Anschließend ermittelt der Autor, in welcher Größenordnung sich durch diese Maßnahme die Weitsprungleistung verändert (vgl. W ILLIMCZIK , 1999).
    „Angenommen, ein Weitspringer steht vor der Entscheidung, seine Sprung- oder Sprintfähigkeit bevorzugt zu trainieren, d. h., seine Anlaufgeschwindigkeit ,besser’ zu übersetzen zu Gunsten der vertikalen und damit zu Lasten der horizontalen Abfluggeschwindigkeit oder ,schlechter’ zu übersetzen zu Gunsten der horizontalen und damit zu Lasten der vertikalen Abfluggeschwindigkeit, d. h., er steht vor der Frage: Erzeugt eine vergleichbare Zunahme der horizontalen oder der vertikalen Abfluggeschwindigkeit eine größere Zunahme der Sprungweite bzw. Flugweite? Diese Frage kann über eine simulierte und vergleichbare Änderung der horizontalen und vertikalen Abfluggeschwindigkeit und der Bestimmung ihrer Einflußhöhe auf die Zunahme der Flugweite beantwortet werden“ (B ALLREICH , 1996, S. 136).
    Die Ergebnisse der Modellsimulation weisen darauf hin, dass die horizontale Abfluggeschwindigkeit v OX eine vierfach größere Einflusshöhe auf die symmetrische Flugbahnweite W 2 hat als die vertikale Abfluggeschwindigkeit v OZ . Demnach empfiehlt die Modellsimulation die Verbesserung der Sprintfähigkeit des Weitspringers. In Übereinstimmung mit B ALLREICH (1996) ist für W ILLIMCZIK (1999, S. 71) eine solche Modellsimulation zwar „für theoretische Vorüberlegungen und zur Hypothesenbildung als Ausgangspunkt für experimentelle Versuchsanordnungen [...] durchaus wertvoll; dagegen erscheint ihre unmittelbare Verwendung in der Trainingspraxis problematisch. [...] So ist die Unabhängigkeit der unabhängigen Variablen meist nicht gegeben. Hinzu kommt, daß eine Ansteuerung einzelner Bewegungsmerkmale aus trainingsmethodischen Gründen bedenklich erscheint.“
5 Biomechanische Theorie- und Modellbildung im Überblick
    Die Biomechanik des Sports bemüht sich seit Anfang der 70er Jahre der 20. Jahrhunderts verstärkt um die Entwicklung biomechanischer Theorien und Modelle. Für die biomechanische Theoriebildung von besonderer Wichtigkeit sind Kenntnisse über die physikalisch-biomechanische Zweckmäßigkeit sporttypischer Bewegungstechniken. Die deutschsprachige Sportwissenschaft thematisiert vornehmlich die sechs biomechanischen Prinzipien von H OCHMUTH (1967, 1982). Diese bündeln das Wissen über die rationale Anwendung der mechanischen Gesetze bei sporttypischen Bewegungsfertigkeiten. Es sind dies die Prinzipien des optimalen Beschleunigungswegs, der optimalen Tendenz im Beschleunigungsverlauf, der Anfangskraft, der zeitlichen Koordination von Teilimpulsen, der Gegenwirkung und der Impulserhaltung. Die Gültigkeitsbereiche der sechs biomechanischen Prinzipien wurde von H OCHMUTH im Jahre 1982, bedingt durch zahlreiche kritische Anmerkungen anderer Wissenschaftler, auf strukturverwandte Bewegungsverläufe mit gleicher oder ähnlicher
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