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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition)
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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ausgeschnitten für ein Rendezvous?«
    »Nicht, wenn du einen BH darunter trägst. Hast du heute Abend ein Rendezvous?«
    Sie macht ein geheimnisvolles Gesicht.
    »Es ist doch Freitag. Wie war es übrigens in der Lappenhölle?«
    Ich schüttele den Kopf, weil sie so abfällig über Markus’ Geburtsort spricht.
    »Du, das war verdammt gut. Bei Markus’ Eltern wird man einfach wunderbar umsorgt. Wir bekommen phantastisches Essen, können morgens ausschlafen. Und sie lieben Erik wirklich. Meine Eltern haben ja so viele Enkelkinder, dass sie ein paar davon auf dem Sklavenmarkt verkaufen könnten, ohne einen Unterschied zu bemerken. Ich könnte mir fast vorstellen, dort zu wohnen. Wirklich.« Ich schiele wieder zu dem Top hinüber, das sie noch immer in der Hand hält. »Ganz ehrlich. Doch. Es ist ganz schön tief ausgeschnitten.«
    »Und du, findest du irgendwas?«
    Ich schüttele den Kopf und fahre mit der Hand über die Kleider, die vor mir auf der Stange hängen.
    »Weißt du, das ist seltsam. Früher, als ich mit Stefan zusammen war, konnte ich mir nie irgendwas leisten. Alles Geld wurde vom Haus verschlungen. Jetzt, wo ich mir etwas leisten kann, ist mir die Lust vergangen. Es interessiert mich einfach nicht mehr, mir Klamotten und anderen Kram zu kaufen.«
    »Na gut«, seufzt Aina und bahnt sich durch das Gewimmel im Laden einen Weg zur Umkleidekabine. »Aber ich bin Single, ich muss an mein Aussehen denken.«
    Ich lache. Natürlich habe ich keine Ahnung. Immer diese Diskussion über die Tatsache, dass ich meine Schäfchen im Trockenen habe, während sie ewig Single ist. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich glauben, dass sie mich beneidet.
    »Denkst du oft an ihn?«, fragt sie leise, und ich ahne Unruhe in ihrem Blick.
    »Stefan? Natürlich denke ich an ihn, aber wirklich nicht so oft. Das alles kommt mir vor, als wäre es vor langer Zeit passiert. Als ob es vielleicht nicht mir geschehen wäre, sondern einer anderen. Ist das nicht seltsam?«
    Aina nickt, greift nach einem altmodischen Persianer, der im Second-Hand-Regal hängt. Fährt mit der Hand darüber, wie um alten Staub wegzuwischen.
    »Er war gut. Ihr wart gut, Stefan und du.«
    Ich überlege eine Sekunde. Waren wir das, gut, meine ich? Stefan war nicht nur mein Geliebter, sondern auch meine Rettungsleine. Er war sicher und stabil und zuverlässig und stark. Bis zu dem Tag, an dem er in sein ganz eigenes schwarzes Loch fiel und ich ihm nicht heraushelfen konnte.
    »Weißt du noch, wie wir das Haus angestrichen haben? Wie wir jeden Abend bis zehn, elf geschuftet und dann in eurer Bucht gebadet haben? Weißt du das noch?«
    Natürlich weiß ich das noch. Ewig helle Sommerabende, Nacktbaden vor den Felsen im kalten Wasser. Das Geräusch der Boote, die weiter draußen auf dem offenen Meer vorüberfuhren. Tang, der sich um unsere Knöchel wickelte, wenn wir den steilen Felsen hochkletterten mit Hilfe des Taus, das Stefan an einer Tanne befestigt hatte. Das Gefühl, langsam auf den rauen Steinen zu trocknen, die am späten Abend noch immer sonnenwarm waren.
    »Was für ein Sommer«, murmele ich. Plötzlich überwältigen mich die Gefühle, die sich noch immer gleich unter der Oberfläche meines geordneten Alltags verstecken. »Was für ein Sommer und was für ein Mann!«
    »Er war gut«, sagt Aina, nickt und zieht eine dünne graue Wolljacke von einem Kleiderbügel. »Du, ich will die mal anprobieren. Kommst du mit?«
    Langsam arbeiten wir uns weiter durch den Laden auf die Umkleidekabinen zu.
    »Sind sie sehr unterschiedlich, als Mensch?«, fragt Aina und sieht plötzlich verlegen aus, als hätte sie eine verbotene Frage gestellt.
    »Markus und Stefan? Ja, und wie. Sie sind wirklich total verschieden. Es liegt vielleicht daran, dass Markus so viel jünger ist, aber ich habe oft das Gefühl, ihn ganz anders zu durchschauen. Ihn zu verstehen, fast schneller als er selbst zu wissen, was er denkt. Stefan konnte verschlossener sein, ließ mich nicht immer an sich heran, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Sicher.« Aina streift die graue Jacke über, kehrt dem Spiegel den Rücken zu, schaut über ihre Schulter in den Spiegel. »Stefan war geizig mit Gefühlen«, sagt sie und schiebt die Arme in die Jacke.
    »Geizig? Ja, vielleicht. Manchmal war er schwer zu verstehen. Vor allem natürlich am Ende. Zugleich war er doch phantastisch, ich habe niemals jemanden gekannt, der sich so um andere Menschen gekümmert hat, sie wichtiger genommen hat als sich
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