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Bevor du gehst

Bevor du gehst

Titel: Bevor du gehst
Autoren: James Preller
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zurückzuweichen.
    Dem Schnaufer ging Judes Hartnäckigkeit allmählich auf die Nerven. Trotzig stopfte er sich eine halbe Brezel in das weit aufgerissene Maul. »Unwaswillstejetzmachen?« Ziemlich wie bei Jersey Shore. Dann machte er den Blähbrusttanz, den Typen wie er draufhaben, und trat dicht vor Jude, die Schultern angespannt, an der Stirn eine animalisch pochende Ader. Diesen Tanz hatte er wahrscheinlich schon hundertmal aufgeführt – und danach sein hilfloses Opfer vermöbelt. Jude fragte sich, ob sein Gegenüber zufällig Wachstumshormone schluckte. Oder Pferdeanabolika. Oder was diese Gewichtheber sonst nahmen, um zu solchen Monstern anzuschwellen.
    Wie bin ich nur in diese beschissene Klemme geraten?
    Jude warf einen Blick zur Theke; gerade schob sich Roberto vorsichtig um die Ecke. Er hatte noch immer den Bratenheber in der Hand, als wäre das eine brauchbare Waffe. Genauso gut hätte er mit einer Fliegenklatsche herumfuchteln können.
    Plötzlich hörte Jude eine Stimme von hinten. »Hey, Jungs, hierher. Beeilt euch.«
    Es war die mittlere Kassiererin Becka, die den drei Bodybuildern Zeichen machte. Ungeduldig winkte sie sie nach vorn an den Kopf der Schlange. Dann warf sie schnell einen Blick durch die Halle, ob Jessup irgendwo zu sehen war, und sagte zu Jude: »Alles in Ordnung, die Herren haben schon bezahlt.«
    Steif und leicht verwirrt schlurften die drei Kleiderschränke an der Kasse vorbei und verließen die Halle. »Ja, was sie sagt«, knurrte einer und warf Jude einen verächtlichen Blick über die Schulter zu.
    »Hast du sie nicht mehr alle?«, fragte Becka Jude, nachdem sie verschwunden waren. »Willst du dich umbringen lassen?«
    »Was?« Jude schob das Kinn vor. »Glaubst du, ich werde mit denen nicht fertig?«
    Sie lachte. »Stimmt, mit solchen Muckis …«
    Jude spannte den Bizeps an. »Wenn die Sonne scheint, kann ich diese Babys gar nicht mehr bremsen. Eigentlich müsste ich sie beim FBI anmelden. In siebzehn Staaten gibt es einen Erlass, der die Teile als tödliche Waffen ausweist.«
    Kopfschüttelnd kassierte Becka den nächsten Kunden ab. »Der hätte dich zerquetscht wie eine Wanze.«
    »Ich weiß«, gab Jude zu.
    »Nicht besonders schlau von dir.«
    »Ich dachte, er lässt vielleicht mit sich reden«, erklärte Jude. »Aber das war wie Quantenphysik für einen Wasserbüffel.«
    Wie eine besorgte Schwester berührte sie Jude am Arm. »Das ist bloß ein Ferienjob. Niemand verlangt von dir, dass du dir dafür den Schädel einschlagen lässt.«
    Jude nickte. »Klar, du hast recht. War total blöd von mir. Ich weiß gar nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Wahrscheinlich hab ich darauf gehofft, dass mir die Jungs hinter dem Tresen helfen.«
    »Genau«, meinte sie. »Und was hätten die machen sollen? Handgranaten schmeißen?«
    Jude grinste. Die nächsten ungeduldig wartenden Kunden drängten schon nach vorn. »Danke. Da bin ich dir was schuldig.«
    »Du meinst, weil ich dir gerade das Leben gerettet habe? Ja, finde ich auch.« Sie lächelte. »Vielleicht darfst du mir mal eine Brezel kaufen.«
    Jude versprach Becka, sie bald einzuladen. Immerhin hatte er sich schon in sie verliebt, und die Brezeln waren sowieso kostenlos.

5
    Jude roch nach Hamburger. Es war fast nicht zu ertragen: der Gestank nach gebratener Kuh, der auf der langen Busfahrt nach Hause an seinen Kleidern hing. Er konnte es kaum erwarten, zu duschen und wieder in die Gemeinschaft der Menschen zurückzukehren.
    Neben der Straße sah er seinen Vater in einer hautengen Laufhose aus Lycra, der mit einem Fuß am Bordstein seine Achillessehne dehnte. So viel von Dads Hintern brauchte wirklich niemand zu sehen.
    »Hi, Jude«, begrüßte ihn sein Vater. »Ich dreh gleich eine Runde. Kommst du mit?«
    Er fragte immer. Jude und sein Vater waren schon seit Jahren nicht mehr miteinander gelaufen, aber er fragte immer. Eigentlich fast lieb. Und jedes Mal, wenn Jude ablehnte, huschte eine leise Enttäuschung durch die Augen seines Vaters. Aber Jude konnte nicht. Was das Laufen anging, hatten sie einfach komplett unterschiedliche Meinungen.
    Jude zog an seinem schweißnassen Shirt. Schüttelte den Kopf. »Geht nicht. Bin von oben bis unten voll mit Bratfett.«
    Mr. Fox nickte verständnisvoll und blickte auf seine Sportuhr. Sein neues Spielzeug, eine Läuferuhr mit den modernsten Funktionen: Pulsmesser, Alarm, Zwischenzeiten, GPS , alle Schikanen. Judes Dad liebte Daten, und nach Judes Auffassung tat sein Vater alles, um dem Joggen
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