Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt
Autoren: Joy Fielding
Vom Netzwerk:
auf der anderen Seite des Raumes zu. »Huhu, Helen.«
    »Wollt ihr damit etwa sagen, meine Arme schwabbeln?«
    »Arme schwabbeln immer«, beschwichtigte Cindy.
    »Deine nicht«, sagte ihre Mutter.
    »Nein, Cindys Arme sind perfekt«, stimmte Leigh ihr wütend zu und lief vor ihrer Mutter und Schwester auf und ab. »Das liegt daran, dass Cindy Zeit hat, fünfmal die Woche ins Fitness-Studio zu rennen.«
    »Ich gehe nicht fünfmal pro Woche ins Fitness-Studio.«
    »Weil Cindy nur zur Arbeit gehen muss, wenn sie Lust dazu hat …«
    »Das ist nicht wahr. Ich arbeite drei Nachmittage die Woche.«
    »… sodass sie jede Menge Zeit hat, Sachen zu tun wie ins Fitness-Studio oder zum Filmfestival zu gehen und …«
    »Was für ein Problem hast du bloß mit dem Filmfestival?«
    »Ich habe überhaupt kein Problem damit. Ich würde ehrlich gesagt liebend gern zehn Tage damit zubringen, in einen Film nach dem anderen zu gehen. Ich mag Filme genauso gerne wie du.«
    »Und warum tust du das dann nicht?«
    »Weil ich eine Verantwortung habe. Weil ich vier Kinder und einen Mann habe, um die ich mich kümmern muss.«
    »Deine Tochter heiratet demnächst, deine Söhne sind auf dem College, und dein Mann kann sich um sich selber kümmern.«
    »Als ob du irgendwas darüber wüsstest, wie man sich um seinen Mann kümmert«, sagte Leigh und wurde sofort sichtlich blass. »Das habe ich nicht so gemeint.«
    Cindy nickte, unfähig, einen Ton herauszubringen.
    »Das ist alles deine Schuld«, wandte Leigh sich an ihre Mutter. »Du und deine verdammten ›Huhu, Helens‹.«
    »Du nimmst alles viel zu ernst«, sagte ihre Mutter. »Das hast
du schon immer getan. Außerdem ist das keine Entschuldigung dafür, gemein zu deiner Schwester zu sein.«
    Leigh ließ schuldbewusst den Kopf sinken. »Es tut mir wirklich sehr Leid, Cindy. Bitte verzeih mir.«
    »Du hast eine Menge Stress«, räumte Cindy bemüht großzügig ein.
    »Glaub mir, du hast ja keine Ahnung.« Leigh drückte die Arme an den Körper und hielt sie absolut starr. »Es ist eine Katastrophe nach der anderen. Das Hotel hatte den Ballsaal doppelt gebucht, und es hat Tage gedauert, die Sache zu klären; der Florist sagt, Flieder im Oktober ist ausgeschlossen …«
    »Wer hat denn im Oktober Flieder?«, fragte ihre Mutter.
    »Die Schwiegerfamilie in spe hat noch nicht angeboten, auch nur einen Penny beizusteuern, und jetzt will Jason auf einmal eine Reggae-Band statt des Trios, das wir engagiert haben.«
    »Er ist der Bräutigam«, erinnerte Cindy ihre Schwester.
    »Er ist ein Idiot«, gab Leigh zurück, als die Tür aufging.
    »Wer ist ein Idiot?« Leighs Tochter Bianca marschierte unvermittelt in den Laden, dicht gefolgt von Cindys Tochter Heather. Wie ihre Mutter war die 22-jährige Bianca leicht übergewichtig, wobei sich die zusätzlichen Pfunde in der Hauptsache um ihre Hüften angesammelt hatten, was sie kleiner aussehen ließ, als sie in Wirklichkeit war. Ebenfalls wie ihre Mutter hatte Bianca hellbraune Augen, einen vollen Mund und ein breites Lächeln.
    (Schnappschüsse: Die sechs Jahre alte Cindy, die zu Halloween in einem Wonder-Woman-Kostüm steckt, lächelt schüchtern in die Kamera, während die drei Jahre alte Leigh, nackt bis auf eine komische schwarze Maske, im Hintergrund herumkaspert; die dreizehnjährige Cindy und die zehnjährige Leigh stehen links und rechts neben ihrer Mutter vor ihrem neuen Haus in der Wembley Avenue, Leigh hat den Arm im Rücken ihrer Mutter ausgestreckt und hält ihre Finger hinter Cindys Kopf zu Hasenohren hoch; Mutter und ihre halbwüchsigen
Töchter sitzen auf einem großen Felsen am Ufer des Lake Joseph, Cindy blinzelt in die Sonne, Leighs Gesicht ist im Schatten verborgen.)
    »Hallo, Tante Cindy.«
    »Hallo, Süße.«
    »Wer ist ein Idiot?«, fragte Bianca erneut.
    Leigh tat die Frage ihrer Tochter mit einem Achselzucken ab und gab vor, mit den Falten ihres Kleides beschäftigt zu sein.
    »Hi, Mom.« Heather begrüßte Cindy mit einem Kuss auf die Wange.
    »Hallo, Liebes. Ich hab gehört, du siehst umwerfend aus in dem Kleid. Tut mir Leid, dass ich es verpasst habe.«
    »Ich bin sicher, es findet sich noch eine Gelegenheit«, sagte Heather zwinkernd. »Ist Julia schon hier?«
    »Natürlich nicht«, antwortete Leigh, bevor Cindy etwas sagen konnte.
    »Du siehst hübsch aus«, erklärte Heather ihrer Tante.
    Leigh nestelte mit einer Hand mädchenhaft an ihrem Haar, bevor sie sie verlegen wieder sinken ließ und die Haut über ihrem Ellenbogen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher