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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt
Autoren: Joy Fielding
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Zähnen.
    »Du machst es schon wieder.« Julia imitierte den gequälten
Gesichtsausdruck ihrer Mutter. »Wenn du jedes Mal einen Anfall kriegst, wenn ich Dad erwähne …«
    »Ich kriege keinen Anfall.«
    »Die Scheidung ist jetzt sieben Jahre her, Mom. Komm drüber weg.«
    »Ich versichere dir, dass ich gründlich über deinen Vater weg bin.«
    Julia zog eine ihrer dünnen, sorgfältig gezupften Augenbrauen hoch. »Wie auch immer, sie suchen eine Unbekannte, was wahrscheinlich heißt, dass jedes Mädchen in Nordamerika die Rolle haben will. Heather, Herrgott noch mal«, brüllte Julia, während die Dusche stotternd versiegte. »Du bist nicht die Einzige, die hier wohnt!«
    Cindy starrte auf den dicken cremefarbenen Läufer. Es war noch nicht ganz ein Jahr her, dass Julia beschlossen hatte, nach sieben Jahren Zusammenleben mit ihrem Vater, zu ihrer Mutter und ihrer Schwester heimzukehren, und das auch nur, weil die neue Frau ihres Vaters zu verstehen gegeben hatte, dass das 450-Quadratmeter-Penthouse mit Seeblick für drei Personen zu klein war. Julia hatte ihrer Mutter ebenso deutlich gemacht, dass sie nur vorübergehend und aus finanzieller Notwendigkeit wieder zu Hause eingezogen war und sich eine eigene Wohnung nehmen würde, sobald ihre geplante Schauspielkarriere begonnen hatte. Cindy hatte ihre Tochter dankbar mit offenen Armen aufgenommen, um die verpasste Zeit, all die verlorenen Jahre wettzumachen, dass sogar der Anblick von Julias widerspenstigem, auf den Wohnzimmerteppich pinkelndem Hund ihre anfängliche Begeisterung nicht dämpfen konnte.
    Die Tür zu Heathers Zimmer ging auf, und ein Teenager in einem knielangen lila Nachthemd mit kleinen rosa Herzchen blinzelte verschlafen in den Flur. Zarte lange Finger schoben ungebändigte Locken aus dem schmalen Botticelli-Gesicht und rieben die sommersprossengesprenkelte Stupsnase. »Was ist
denn das für ein Lärm?«, fragte das Mädchen, während Elvis hochsprang, um ihr Kinn abzulecken.
    »Oh, verdammt noch mal«, murmelte Julia wütend, als sie ihre Schwester sah, und trat mit dem nackten Fuß gegen die Badezimmertür. »Duncan, beweg deinen knochigen Arsch da raus.«
    »Julia …«
    »Mutter …«
    »Duncans Arsch ist nicht knochig«, meinte Heather.
    »Ich kann nicht glauben, dass ich zu spät zu meinem Casting komme, weil der schwachsinnige Freund meiner Schwester meine Dusche benutzt.«
    »Es ist nicht deine Dusche, er ist nicht schwachsinnig, und er wohnt schon länger hier als du«, protestierte Heather.
    »Ein Riesenfehler«, sagte Julia und sah ihre Mutter vorwurfsvoll an.
    »Sagt wer?«
    »Dad.«
    Cindys Lippen verzogen sich mechanisch zu dem künstlichen Lächeln, mit dem sie jede Erwähnung ihres Ex-Mannes kommentierte. »Damit fangen wir jetzt lieber nicht an.«
    »Fiona findet das auch«, beharrte Julia. »Sie sagt, sie kann nicht verstehen, was dich geritten hat, ihn hier einziehen zu lassen.«
    »Ich hoffe, du hast dem dämlichen Spatzenhirn gesagt, sie soll sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.« Die wütenden Worte drängten förmlich über Cindys Lippen, selbst wenn sie es gewollt hätte, hätte sie sie nicht zurückhalten können.
    »Mom!« Heather riss entsetzt ihre dunkelblauen Augen auf.
    »Also wirklich, Mutter«, sagte Julia und verdrehte ihre grünen Augen erneut zur Decke.
    Es war das »wirklich«, was Cindy den Rest gab. Es traf sie wie ein Pfeil ins Herz, und sie musste sich an der Wand abstützen.
Und als wollte auch er noch dringend seinen Kommentar abgeben, hob Elvis ein Bein und pinkelte gegen die Badezimmertür.
    »Oh nein!«
    Cindy starrte ihre ältere Tochter wütend an.
    »Guck mich nicht so an. Du warst schließlich diejenige, die geflucht und ihn damit so aufgeregt hat.«
    »Mach es einfach weg.«
    »Ich habe keine Zeit, es wegzumachen. Mein Vorsprechtermin ist um elf Uhr.«
    »Es ist halb neun!«
    »Du hast ein Casting?«, fragte Heather ihre Schwester.
    »Michael Kinsolving ist zum Filmfestival in der Stadt und hat beschlossen, ein paar Schauspielerinnen von hier für seinen neuen Film zu casten. Dad hat es arrangiert.«
    »Cool«, meinte Heather, und erneut verzogen sich Cindys Lippen zu einem frostigen Lächeln.
    Die Badezimmertür ging auf und entließ eine Dampfwolke in den Flur, gefolgt von der großen, schlanken Gestalt Duncan Rossis. Seine dunkle Haare fielen ihm in die verschmitzen braunen Augen, und er trug nichts weiter als ein kleines weißgelbes Handtuch um die Hüften und ein schräges Lächeln im
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