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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt
Autoren: Joy Fielding
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Gesicht. Rasch verschwand er in dem Zimmer, das er sich seit beinahe zwei Jahren mit Cindys jüngerer Tochter teilte. Die ursprüngliche Verabredung war natürlich gewesen, dass er einen leeren Raum im Keller bezog, ein Arrangement, das ganze drei Monate gehalten hatte. Weitere drei Monate leugneten alle Beteiligten das Offensichtliche, nämlich dass Duncan sich in Heathers Zimmer schlich, sobald Cindy eingeschlafen war, um morgens wieder zurückzuschleichen, bevor sie aufwachte, bis schließlich alle aufhörten, sich etwas vorzumachen, ohne dass Duncans endgültiger Umzug in den ersten Stock je erwähnt worden wäre.
    In Wahrheit hatte Cindy kein Problem damit, dass Heather
und Duncan miteinander schliefen. Duncan war ihr ehrlich sympathisch, er war rücksichtsvoll und hilfsbereit im Haus und hatte es sogar geschafft, sein inneres Gleichgewicht und seine gute Laune zu bewahren, als auf der anderen Seite des Flurs der Mahlstrom namens Julia eingezogen war. Sowohl Duncan als auch Heather waren nette, verantwortungsbewusste Jugendliche, die seit ihrem ersten Jahr auf der Highschool zusammen waren und seither von Heirat gesprochen hatten.
    Das war das Einzige, was Cindy bisweilen wirklich Sorgen machte.
    Manchmal betrachtete sie Duncan und ihre Tochter, während die beiden beim Frühstück Zeitung lasen – Honey Nut Cheerios für ihn, Cinnemon Toast Crunch für sie – und dachte, dass die beiden beinahe zu vertraut und gesetzt miteinander waren. Sie staunte, dass Heather sich so bereitwillig auf ein sicheres und fast spießiges Leben einließ, und fragte sich, ob es etwas damit zu tun hatte, dass sie ein Scheidungskind war. »Warum hat sie es so eilig, sich zu binden? Sie ist erst neunzehn. Sie geht aufs College. Sie sollte sich durch die Gegend schlafen«, hatte Cindy ihren Freundinnen neulich zu deren Entsetzen anvertraut. »Na ja, wann soll sie es denn sonst machen?«, hatte sie hinzugefügt und dabei an ihre eigene unfreiwillige Enthaltsamkeit gedacht.
    Cindy konnte die Affären, die sie seit ihrer Scheidung gehabt hatte, an einer Hand abzählen, zwei in der unmittelbaren Folge von Toms abrupter Entscheidung, sie wegen einer anderen Frau zu verlassen, einer Frau, die er dann für eine dritte Frau sitzen gelassen hatte, als seine Scheidung von Cindy rechtskräftig wurde. Sieben Jahre voller anderer Frauen, dachte Cindy jetzt, und jede jünger und aufgetakelter als ihre Vorgängerin. Torten im Dutzend billiger, dachte sie und spürte, wie sie die Zähne aufeinander biss. Und dann kam die kleine Fiona, das frischeste Törtchen von allen. Verdammt, sie war bloß acht Jahre
älter als Julia, noch nicht einmal eine Torte, sondern bloß ein Keks!
    »Mom?«, fragte Heather.
    »Hmm?«
    »Alles in Ordnung?«
    »Mrs. Carver?« Duncan tauchte wieder neben Heather auf, hatte jedoch das Handtuch gegen eine modisch gebleichte Jeans und ein dunkelblaues T-Shirt ausgetauscht, das er sich über seine noch feuchte und völlig unbehaarte Brust gestreift hatte.
    »Sie denkt an meinen Vater«, verkündete Julia missmutig.
    »Was? Tue ich nicht.«
    »Und warum dann das Leichenstarre-Lächeln?«
    Cindy atmete tief ein, um ihre Mundpartie zu entspannen, und spürte, wie ihr Kinn verdächtig wackelte. »Ich dachte, du hättest es so eilig, unter die Dusche zu kommen.«
    »Es ist doch erst halb neun«, sagte Julia, und Elvis fing an zu bellen.
    »Will da etwa jemand einen Spaziergang machen?«, fragte Duncan den Hund, der den jungen Mann als Antwort zunehmend hektisch umkreiste und noch lauter bellte. »Na, dann los, alter Junge.« Elvis rannte, gefolgt von Duncan, die Treppe hinunter, als das Telefon in Cindys Schlafzimmer zu klingeln begann.
    »Falls es Sean ist, bin ich nicht da«, erklärte Julia ihrer Mutter.
    »Warum sollte Sean auf meiner Nummer anrufen?«
    »Weil ich an meiner nicht drangehe.«
    »Und warum gehst du nicht dran?«
    »Weil ich mich von ihm getrennt habe, was er aber nicht akzeptieren will. Ich bin nicht da«, wiederholte Julia, während das Telefon weiter klingelte.
    »Und was ist mit dir?«, fragte Cindy ihre jüngere Tochter scherzhaft. »Bist du hier?«
    »Warum sollte ich mit Sean reden?«

    »Ich bin in zwanzig Minuten zurück«, rief Duncan an der Haustür.
    Mein bestes Kind, dachte Cindy und griff nach dem Hörer des Telefons auf ihrem Nachttisch.
    »Ich bin nicht da«, stellte Julia in der Tür stehend noch einmal klar.
    »Hallo.«
    »Ich bin’s«, meldete sich eine Stimme. Cindy ließ sich auf die Kante
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