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Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843

Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843

Titel: Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843
Autoren: Alexander Merow
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Pförtner und hielt ein lasergesteuertes Ablesegerät in der Hand. Wortlos zog er Frank den
    Scanchip aus der Hand, ohne ihn auch nur anzusehen und sagte nach einem kurzen „Biep“ seines Codelesers: „Gerichtszelle 4/211! Beeilen Sie sich! Wir haben gleich 8.00 Uhr! Wenn Sie zu spät kommen, wird es nur teurer für Sie!“
    Franks Herz fing an, schneller zu pochen. Ängstlich begann er, die Gerichtszellen abzusuchen, um dort seine Nummer zu finden. Andere Angeklagte, die ebenfalls nicht gerade fröhlich wirkten, musterten ihn mit einigen kurzen Blicken. „Reihe 4! Scheiße! Ich muss mich beei- len...211.. .Mist“ jammerte Frank, den sein Blick auf die Uhr immer nervöser machte.
    Es waren nur noch zwei Minuten bis zum Beginn seiner Anhörung. Er fing an zu rennen und mit rasendem Herzen und stärker werdenden Kopfschmerzen erreichte er schließlich seine Gerichtszelle gerade noch vorschriftsmäßig.
    Noch außer Atem empfing ihn schon eine elektronische Frauenstimme: „Willkommen Bürger 1-564398B-278843 bei Ihrem automatisierten Gerichtsverfahren! Bitte geben Sie jetzt Ihre Angeklagtennummer in das Display ein und drücken Sie auf „OK“!“
    Frank zog seinen Scanchip aus der Hosentasche, tippte sich gehetzt durch sein Message-Menü und versuchte, die Angeklagtennummer korrekt wiederzugeben. Mittlerweile überfiel ihn fast eine selten gekannte Panik. Er schaute sich um.
    „Eigentlich muss ich nicht in diesen Blechkasten, da ich nichts getan habe.“ dachte er sich, doch schon öffnete sich die Tür.
    Franks Hände waren auf einmal verschwitzt, er atmete lauter. Vor ihm tat sich ein schwach beleuchtetes metallisches Loch auf, welches ihn zum Vortreten aufforderte.
    „Treten Sie ein, Bürger 1-564398B-278843! Ihr Verfahren läuft bereits!“ tönte es aus einem Lautsprecher an der Decke der halbdunklen Kammer. Frank Kohlhaas wusste, dass er jetzt in die Zelle hinein musste und sich nicht weigern konnte. Immerhin war es eine offizielle behördliche Anweisung und da gab es niemals und in keinem Fall eine Diskussion oder gar eine Ausnahme. Er machte einen Schritt vorwärts und seine Knie fühlten sich mit jeder verstreichenden Sekunde weicher an. Ein Bildschirm blitzte auf, das automatisierte Gerichtsverfahren gegen den theoretischen Täter Frank Kohlhaas nahm seinen Lauf.
    In großen und leuchtenden Lettern waren auf dem Bildschirm die Tatvorwürfe zu lesen:
    - Massive Störung des Betriebsfriedens
    - Theoretische schwere Körperverletzung
    Frank schluckte und stieß einen heftigen Schwall Luft aus. Die unheimlich wirkende Frauenstimme, so freundlich wie ein unbemerkter Virus, begann mit den Ausführungen. Es folgten eine ausführliche Schilderung des Tathergangs, die Auflistung von Zeugen, zusätzliche Sub-Anklagepunkte wie „subversive Aussagen am Arbeitsplatz“ und einiges mehr.
    Der junge Mann sagte mehrere Minuten nichts, aber man hatte ihn ja auch nicht gefragt, lediglich die Computerstimme redete, führte aus und klagte an.
    Die ehemaligen Kollegen Schmidt, Adigüzel und Nyang hatten bestätigt, dass der Angeklagte mehrfach das Mitsingen des „One-World-Songs“ verweigert hatte und den Text am 02.04.2027 sogar als „Schwachsinn“ bezeichnet hatte.
    Produktionsüberwacher Sasse hatte zu Protokoll gegeben, dass die aggressive Mimik und der Gebrauch von sehr starkem Vokabular bei der Auseinandersetzung in der Fabrik auf eine „ausgeprägte Aggressionsstörung und einen Hang zum unnötigen Hinterfragen unbedingt gerechtfertigter Anweisungen“ hindeuteten. Der Leiter des Produktionskomplexes hatte dies bestätigt. Es folgten weitere Details, Gesetzesvorschriften und Vorschriften für erweiterte und tiefergehende Anweisungen im Bezug auf die Aufstellung und Neudefinition von Vorgaben — und deren mehr.
    „Sei froh, dass du mein Vorgesetzter bist, sonst würde ich dir deine Fresse polieren!“
    Die Absicht, den Vorgesetzten zu schlagen, war hier in den Augen des automatisierten Gerichts mehr als eindeutig bewiesen. Der Unterschied zwischen einer so formulierten Absicht und einer tatsächlich ausgeführten Tat war laut der modernen Gesetzesauffassung, die sich stark an Psychologie und Statistik orientierte, relativ gering. Weiterhin war damit die Wahrscheinlichkeit, diese Tat eines Tages auch real zu begehen, da ja die Absicht klar formuliert worden war, gewaltig angestiegen (vgl. „Gesetzesentwurf zur Abgleichung von tatsächlichem, theoretischem und zu- künftig wahrscheinlichem Verhalten vom
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