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Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843

Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843

Titel: Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843
Autoren: Alexander Merow
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sagen. Ich mache hier fast alles selbst und nur der Ralf hilft mir ab und zu. Das reicht eigentlich auch. Eine Aushilfe oder so brauche ich an sich nicht.“
    Frank Kohlhaas war nie ein Meister im Verstellen gewesen und wer ihn jetzt sah, merkte ihm die Verzweiflung deutlich an.
    „Und nur für zwei Monate?“ presste er aus sich heraus.
    „Ich brauche hier keinen und kann mir auch keinen zweiten Mann leisten, Frank!“ entgegnete der dicke, ölverschmierte Mann und wandte sich ab. „Tut mir leid, aber ich habe jetzt noch zu tun. Sei nicht böse, aber es geht nicht.“
    Wieder zu Hause angelangt, stieß Frank einen seiner schlimmsten Flüche aus und trat gegen seinen Küchentisch. Er durchsuchte sein Hirn verzweifelt nach anderen Möglichkeiten einer Anstellung und hakte im Geiste sämtliche Produktionskomplexe ab, die es noch im Großraum von Berlin gab. Allerdings war hier das Problem, dass er vermutlich durch den Zusammenstoß mit dem Beamten des „Ministeriums für Produktionsüberwachung“ von seinem Chef einen negativen Eintrag in seinem ScanchipRegister verpasst bekommen hatte, was eine zukünftige Einstellung in einem anderen Industriebetrieb so gut wie unmöglich machte.
    Er hatte für diesen Monat noch 246 Globes auf seinem elektronischen Konto. Über 400 Globes kostete allein die Miete für seine schäbige Wohnung in diesem verrotteten Block. Die Zeit drängte mit jedem Tag mehr und der dunkle Schatten der Verzweiflung wuchs mit den verstreichenden Stunden. Er überwucherte Franks Geist wie ein bösartiges Geschwür.
    Nachdem sich der junge Mann eine äußerst billig produzierte Sitcom angesehen hatte, schaltete er den Fernseher aus und versuchte zu schlafen. Doch es war erst 23.00 Uhr und die Erschöpfung hatte bedauerlicherweise noch nicht den nötigen Grad erreicht, um ein sorgenvolles Gehirn abzuschalten und ihm die wohlverdiente Ruhe zu schenken.
    So vergingen mehrere Stunden, in denen Frank die dunkle Decke anstarrte und den Produktionskomplex 42b mit all seinen Vorgesetzten, Überwachern und Arbeitern im Geiste verfluchte.
    Dann fiel ihm wieder der Gestank aus dem Hausflur auf und kurzzeitig schwoll der Nebel der Verzweiflung in seinem Kopf so stark an, dass er überlegte, sich eine Kugel hindurch zu jagen. Die bösen Gedanken und Sorgen hätte er am liebsten mit einer großkalibrigen Schrotflinte, die sein Hirn sauber über die vergilbte Tapete hinter seinem Bettgestell verteilte, wegoperiert.
    Frank Kohlhaas dachte im Laufe der Nacht noch über viele Dinge nach. Über sein bisher so nutzloses Leben, die Einsamkeit, die Eintönigkeit und den klaffenden Abgrund, der jetzt auf ihn wartete. Er kam in dieser Nacht zu keiner Lösung und nicht ein kleinstes Fünkchen Hoffnung leuchtete irgendwo. Nichts. Draußen war es dunkel, vor dem Haus konnte Frank ein paar zerfetzte Müllsäcke erkennen, die schon mehrere Wochen dort herumlagen. Dann war er endlich so müde, dass er mit dem Kopf auf der Fensterbank einschlief.
    Bis zum Ende der Woche war die Suche nach einem neuen Broterwerb erwartungsgemäß erfolglos geblieben. Es schien im Umkreis von mehreren Kilometern überhaupt keine Arbeit mehr zu geben. Eine Nachfrage bei der örtlichen Verwaltung hatte zudem zu Tage gefördert, dass Frank mittlerweile tatsächlich einen Negativeintrag wegen „Störung des Betriebsfriedens“ in seinem ScanchipRegister hatte.
    „Die Idee mit der Schrotflinte ist vielleicht gar nicht so übel. Aber vorher besuche ich noch diesen Sasse“ zischte Frank in sich hinein, als am Freitag für seine ehemaligen Kollegen des Produktionskomplexes 42b das kurze Wochenende begann.
    Samstag und Sonntag investierte er dann einige seiner letzten Globes in den billigen Schnaps vom Kiosk an der Ecke. Allein in seiner kleinen, lieblos eingerichteten Wohnung, im dunklen Wohnblock, in einer dunkler werdenden Zeit. Sein Schicksal und seinen Schmerz nahm niemand wahr. Genau so wie Frank Kohlhaas niemals den Schmerz der anderen, die sich in ihren Wohnwaben hinter der verwitterten, grauen Fassade des Hochhauses verkrochen, wahrgenommen hatte.
    Wenn er sich jetzt den Schädel wegschießen oder sich tot saufen würde, dann würde er vermutlich bald genau so riechen wie der Flur auf seiner Etage und es würde wohl noch nicht einmal jemandem auffallen. Irgendwie war der Gedanke so krank, dass er Frank ein gequältes Lächeln entlockte.
    Man musste hartem Alkohol trotz seines schlechten Rufes wirklich eines lassen: Er hatte bereits Millionen
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