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Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843

Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843

Titel: Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843
Autoren: Alexander Merow
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besorgte Menschen sanft in den Schlaf gesungen. Keine Sorge konnte so groß sein, dass man sie nicht mit einer Woge des guten und vor allem billigen Fusels vom nahegelegenen Kiosk wegspülen konnte. Das hatte Frank in den letzten zwei Tagen eindrucksvoll bewiesen, sozusagen im Selbstversuch.
    „Biep! Biep! Biep!“ dröhnte es montags um 6.30 Uhr morgens aus der Küche, wo Frank im vernebelten Kopf seinen Scanchip hatte liegen lassen. „Biep! Biep! Biep!“
    „Guten Morgen, Bürger 1-564398B-278843! Sie haben eine Message der Prioritätsstufe Alpha auf Ihrem Scanchip!“
    „Guten Morgen, Bürger 1-564398B-278843! Sie haben eine Message der Prioritätsstufe Alpha auf Ihrem Scanchip!“
    „Guten Morgen, Bürger 1-564398B-278843! Sie haben eine Message der Prioritätsstufe Alpha auf Ihrem Scanchip!“
    sagte eine elektronische Frauenstimme immer wieder.
    „Hmmm... “ brummte Frank, dem man den starken Restalkohol noch mehr als anmerken konnte. „Verflucht.. .was?“ stammelte er und rollte sich aus seiner nach Schnaps riechenden Bettwäsche.
    „Was soll der Scheiß? Verdammt! Halt die Schnauze, du Drecksteil!“ knurrte er und schlurfte mit einem üblen Brummschädel zum Küchentisch.
    Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis Frank der Pincode eingefallen war und er sich bis ins Scanchip-Menü zum Abrufen seiner Nachrichten vorgekämpft hatte. Dann traf ihn fast der Schlag.
    „Wie? Vorladung? Was? Hä?“ stotterte Bürger 1- 564398B-278843 verstört.
    Er musste es erst zweimal lesen, um es zu glauben. Das musste ein schlechter Scherz sein.
    „Was zum Teufel ist das jetzt, verdammt?“ brachte er nur heraus.
    Offizielle Vorladung:
    Bürger 1-564398B-278843,
    Sie werden im Zuge eines automatisierten Gerichtsverfahrens offiziell am 14.08.2027 um 8.00 Uhr morgens vorgeladen.
    Tatvorwürfe:
    - Massive Störung des Betriebsfriedens
    - Theoretische schwere Körperverletzung
    Finden Sie sich zum besagten Zeitpunkt in Gerichtszelle 4/211 bei Ihrem örtlichen Justizkomplex ein.
    Bei Nichterscheinen droht Ihnen unter anderem die Löschung Ihres Scanchips und die Inhaftierung!*
    (*vgl. §127b, „Bürgerpflichten und theoretische Sanktionen “)
    Amtlicher Aktencode: 257789000-0100567-2345441113-EGN-59900-4/211
    Angeklagtennummer: 319444-556.77
    Wir danken für Ihre Kooperation!
    Franks alkoholvernebeltes Katergehirn begann zu schmerzen und zu rotieren: „Vorladung? Wie bitte?“
    Er war etwas verwirrt und konnte sich an keine schlimme Straftat in seinem bisherigen Leben erinnern.
    „Weil ich diesen verfluchten Sasse mal kurz angeschnauzt habe oder was?“ dachte er. „Das kann doch nicht sein. Ich habe ihm schließlich kein Haar gekrümmt. War doch nur kurzzeitig wütend, ein sehr schnell vorübergehender Ausraster. Ich verstehe das nicht. Und was zur Hölle meinen die mit „theoretischer schwerer Körperverlet- zung“?“ Und es war wahr: Frank Kohlhaas, der aushelfende Bürger mit dem amtlichen Kennzeichen 1-564398B- 278843 hatte noch niemals jemandem etwas getan. Außer damals im Kindergarten, als er diesem nervigen Dirk eine Ohrfeige gegeben hatte und seine Eltern bei der Hortleitung erscheinen mussten. Die örtliche Erziehungsbehörde zeigte sich damals kurzzeitig besorgt und redete davon, dass Frank „unterschwellige Aggressionen“ hätte, ein „bedenklich frühmaskulines Verhalten“ zeige und vielleicht eine Therapie mit Beruhigungsmitteln sinnvoll wäre.
    Aber das war viele Jahre her. Die Therapie konnte ja auch abgewendet werden, da das Kind seinen Fehler vor einem Gremium von Psychologen und Sozialpädagogen bereute und seine Eltern versicherten, dass sie Frank sofort melden würden, wenn er noch einmal diesbezüglich auffiele.
    Er fiel aber nicht mehr auf. Nicht einmal eine Ohrfeige oder einen kleinen Schubser verpasste er seit seinem fünften Lebensjahr irgendeinem anderen Mitmenschen auf dieser Welt mehr. Nein, er fiel überhaupt nicht mehr auf. Und schon gar nicht als Mensch mit „unterschwelligen Aggressionen“.
    In Gedanken oder im Traum schlug er manchmal den einen oder anderen Vorgesetzten oder Verwaltungsmitarbeiter zusammen, aber das war geheim und brauchte daher auch nicht therapiert zu werden.
    Weiterhin war es auch das erste Mal, dass der sonst vollkommen unauffällige Wohnblockbewohner Frank Kohl- haas mit einem „automatisierten Gerichtsverfahren“ in Berührung kam. Der Bürger hatte allerdings schon einmal in den Abendnachrichten davon gehört, da es vor etwa drei Jahren neu von der
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