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Betrug und Selbstbetrug

Betrug und Selbstbetrug

Titel: Betrug und Selbstbetrug
Autoren: Robert Trivers
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stark, dass sie nicht nur die äußere Form des Lebewesens neu gestaltet hat, sondern auch seine inneren Organe – und das, obwohl ein Vorgang wie der Verlust der Symmetrie für größere Tiere im Allgemeinen von Nachteil ist. Und wie wir im nächsten Kapitel noch genauer erfahren werden, kann Selektion auch zur Evolution eines Fischmännchens führen, das während seines ganzen Erwachsenenlebens so tut, als wäre es ein Weibchen, und eine Affäre mit dem männlichen Revierherrscher anfängt, um so heimlich zum Befruchter der Eier zu werden, die echte Weibchen in ihren Territorien ablegen.
    Was ist Selbsttäuschung?
    Was ist Selbsttäuschung eigentlich? Manche Philosophen haben die Vorstellung geäußert, Selbsttäuschung sei eigentlich ein Widerspruch in sich und von vornherein unmöglich. Wie kann das Selbst sich selbst täuschen? Setzt das nicht voraus, dass das Selbst etwas weiß, das es nicht weiß (p/~p)? Diesen Widerspruch kann man leicht auflösen, wenn man das Selbst als den bewussten Geist definiert: Dann findet Selbsttäuschung statt, wenn der bewusste Geist im Dunkeln gelassen wird. Wahre und falsche Informationen können gleichzeitig gespeichert werden, nur befindet sich die Wahrheit im unbewussten und die Unwahrheit im bewussten Geist. Manchmal sind daran auch Aktivitäten des bewussten Geistes selbst beteiligt, beispielsweise, wenn Erinnerungen aktiv unterdrückt werden; in der Regel laufen die Prozesse als solche jedoch unbewusst ab, sie verzerren aber die Dinge, deren wir uns bewusst sind. Auch die meisten Tiere haben einen bewussten Geist (der sich in der Regel allerdings nicht seiner selbst bewusst ist) in dem Sinn, dass ein Licht eingeschaltet wird (wenn sie wach sind), welches über die Sinnesorgane eine integrierte, ununterbrochene Konzentration auf die Außenwelt ermöglicht.
    Der Schlüssel zur Definition von Selbsttäuschung ist also die Erkenntnis, dass wahre Informationen bevorzugt aus dem Bewusstsein ferngehalten und – wenn sie überhaupt vorhanden sind – in abgestuften Ebenen des Unbewussten gespeichert werden. Wird der Geist schnell genug tätig, braucht keine Version der Wahrheit gespeichert zu werden. Es bedarf jedoch einer Erklärung für die der Intuition widersprechende Tatsache, dass die falsche Information in den bewussten Geist gelangt. Welchen Sinn hat das? Wenn wir eine wahre und eine unwahre Version des selben Ereignisses gleichzeitig speichern müssten, könnte man sich vorstellen, dass die wahre Version im bewussten Geist verbleibt, wo sie sich besser der Vorteile des Bewusstseins (worin diese auch bestehen mögen) erfreuen kann, während die falsche Information irgendwo im Keller den Blicken entzogen wird. Die Hypothese dieses Buches lautet: Das ganze, der Intuition widersprechende Arrangement existiert zu dem Zweck, andere zu manipulieren. Wir verbergen die Realität vor unserem bewussten Geist, um sie auch besser vor Zuschauern zu verbergen. Eine Kopie dieser Informationen können wir in unserem Selbst speichern oder auch nicht, aber mit Sicherheit unternehmen wir alles, um sie von anderen fernzuhalten.
    Kognitive Belastung als Merkmal
von Täuschung beim Menschen
    Wenn die Funktion der Selbsttäuschung vor allem darin besteht, die Entdeckung der Täuschung zu erschweren, stehen wir naturgemäß vor der Frage, wie Menschen eine bewusst aufgebaute Täuschung erkennen. An welchen Indizien orientieren wir uns dabei? Wenn es sich um anonyme oder seltene Begegnungen handelt, können wir das Verhalten des Gegenübers nicht vor einem Hintergrund bekannter Verhaltensweisen interpretieren, sondern müssen nach allgemeineren Anzeichen für Lügen suchen. 5 Auf drei solche Aspekte wurde besonders hingewiesen:
    Nervosität : Da eine Entlarvung negative Folgen haben kann, beispielsweise Aggression durch andere und möglicherweise auch Schuldgefühle, rechnet man damit, dass Menschen nervös sind, wenn sie lügen.
    Selbstbeherrschung : Wenn Menschen fürchten, nervös (oder zu konzentriert) zu wirken, nehmen sie sich zusammen: Sie bemühen sich, bestimmte Verhaltensweisen zu unterdrücken, was möglicherweise erkennbare Nebenwirkungen hat, beispielsweise, weil sie übermäßig aktiv sind oder übermäßig beherrscht, weil sie etwas verdrängen oder weil ihre Bewegungen und Mimik nicht spontan, sondern geplant und einstudiert wirken. So führt eine innere Anspannung nahezu unvermeidlich dazu, dass die Tonhöhe der Stimme steigt. Wenn Kinder und Erwachsene eine schmerzhafte
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