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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)
Autoren: Christian Bartel
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»du bist bloß sensibel.« Er kichert schon wieder. »Und total neurotisch.«
    Matthes hält das alles mal wieder für einen riesigen Witz.
    »Freundin weg, Vermieterin suizidal, da kann man schon mal ein bisschen abdrehen.«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Aber wie …?«
    »Es war ein Witz«, erklärt Matthes zum zehnten Mal, aber ich kann es immer noch nicht glauben.
    »Von Anfang an, auf den Pappen war nie LSD drauf. Echt nicht.«
    Ich schaue ihn an. Tante Matthes stöhnt und erzählt die Geschichte noch einmal.
    »Ich habe Löschpapier mit Comicmotiven zerschnitten und jedem von euch einen Schnipsel gegeben.«
    »Warum?«
    »Weiß nicht, ich fand’s irgendwie lustig.«
    »Irgendwie lustig? Ich dachte, wir sind Freunde, verdammt.«
    »Und deswegen wollte ich nicht, dass mein bester Freund sich vollkommen draufgeschickt bei seiner eigenen Zeugnisverleihung zum Affen macht. Du solltest mir dankbar sein.«
    Ich bin ihm sogar sehr dankbar, aber das kann ich ihm unmöglich sagen.
    Später, als wir am Fluss sitzen und nicht aufhören können, uns über diesen Tag zu wundern, wird Matthes mir die ganze Geschichte erzählen. Wir werden in der Bucht zwischen den steinernen Buhnen sitzen, in die der Fluss einige Fuhren Sand gespült und mit dem Altöl der Schiffe am Ufer festgepappt hat. Das ist unser Strand.
    Ich habe Rieke an diesem Strand kennengelernt. Ich weiß noch, dass wir uns darüber unterhalten haben, was wir später werden wollten, obwohl wir noch in der Unterstufe waren. Vielleicht war es deswegen einfacher.
    »Schriftsteller«, habe ich gesagt, weil ich gerade einen Roman angefangen hatte, in dem es um Ritter, Drachen und dieses Zeugs ging. Ich habe ihn nie zu Ende geschrieben; ehrlich gesagt hatte ich bloß das Deckblatt gemalt.
    Rieke hat sich darüber lustig gemacht, aber man hat gesehen, dass sie es trotzdem gut fand.
    »Ich habe überhaupt keine Begabung für gar nichts«, hat sie dann gesagt, und weil ich Rieke da noch nicht richtig gekannt habe, ist mir kein Talent eingefallen, dass ich für sie ins Feld hätte führen können. Deswegen habe ich sie von da an in der Schule beobachtet und ihr an jedem Tag eine ihrer Begabungen verraten. Sie konnte zum Beispiel fantastisch einen Delfin nachmachen, kann sie wahrscheinlich immer noch.
    Ich hätte nicht mit Rieke schlafen sollen, aber es ging nicht anders. So etwas schüttelt man nicht eben so ab, bloß weil man sich wieder verliebt hat. Da bleibt doch was hängen.
    »Ich hab Komplexe gekriegt, als ihr euer Abi bekommen hattet«, wird Matthes sagen. »Jetzt haben sie dich abgehängt, habe ich gedacht. Jetzt machen sie Karriere und ich hänge alleine rum.«
    »Karriere?«, werde ich ungläubig fragen.
    »Verrückt, was?«, wird er sagen. »Jedenfalls habe ich geglaubt, es ginge mir besser, wenn ich euch zum Trippen überrede, damit diese ganze Abigeschichte für euch wenigstens im totalen Fiasko endet.«
    »Arschloch.«
    »Ihr hättet ja ablehnen können«, wird Matthes grinsend sagen, weil er Recht hat.
    »Außerdem hab ich’s ja nicht gemacht. Ihr habt wirklich nur unschuldiges Papier gelutscht.«
    Und ich werde erzählen, dass Rieke ihre Pappe auch nicht genommen hat, und wir werden gemeinsam diesen höllischen Tag rekonstruieren, an dem wir uns abwechselnd gegenseitig versicherten, den wohl abgefahrensten Film aller Zeiten zu fahren, um in unbeobachteten Momenten ganz normale Konversation mit dem Rest der Welt zu betreiben.
    »Wir haben uns alle gegenseitig verarscht«, wird Matthes sagen und vergnügt auf das Wasser schauen. »Ist das nicht schön?«
    Ja, denke ich, vielleicht ist es das.
    »Und Bernd?«
    »Bei dem weiß man’s nie so genau.«
    »Stimmt, bei dem weiß man’s nicht.«
    Wir werden über Oma Wittrich reden, der man recht eindringlich einen Platz im Seniorenheim ans Herz gelegt haben wird. »Das macht die nie«, wird Matthes sagen, aber da irrt er sich, weil er nicht weiß, wie müde und einsam sie wirklich ist.
    Und schließlich wird sich Tante Matthes nach allen Regeln der Kunst aufplustern, als der Mann, dessen kühnes Ränkespiel mich vor Galgen, Verderben und Entehrung gerettet hat.
    »Ohne mich …«, wird er sagen, »… ohne mich wärst du doch im Gefängnis gelandet. Wegen illegaler Betäubung alter Damen mit Todesfolge oder so.« Und ich werde Tante Matthes gewähren lassen müssen, denn es stimmt ja.
    Ein Arzt kommt herein. »Na, wie geht’s uns denn?«, fragt er, weil er halt Arzt ist.
    »Supi«, sagt Matthes.
    »Ich bin
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