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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)
Autoren: Christian Bartel
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einzige Leben, das wir gelebt haben, und deswegen mischt sich, da die peinliche Beklemmung schwindet, die Wärme des gemeinsam Durchlittenen in unser Reden, bis schließlich alles gesagt ist und wir still nebeneinander auf dem Biertisch sitzen.
    »Ich gehe dann mal«, sagt Rieke.
    »Ich muss hier noch aufräumen«, antworte ich.
    Rieke bietet ihre Hilfe an.
    »Ich dachte, du hast zwei linke Hände.«
    »Dafür wird es wohl gerade noch reichen.«
    »Du hast ein Etuikleid an.«
    »Seit wann weißt du, was ein Etuikleid ist?«
    »Ich bin ein Mann von Welt, ein Geistes- und Kulturmensch.«
    »Natürlich bist du das.«
    Der Rest ergibt sich.
    Ineinander verhakt torkeln wir durch das leere Atelier, sie zieht an meinem Gürtel, ich öffne das Etui, spüre ihre Hand an meinem Schwanz und versenke meine zwischen ihren Beinen, hebe sie auf das Sofa, sie schlingt ihre Beine um mich, krallt sich an mir fest und das Tier mit den zwei Rücken bricht aus seinem Käfig oder wo sonst es auch immer gesteckt haben mag.
    Als wir voneinander ablassen, habe ich einen Splitter vom Dielenboden im Knie, Rieke eine Beule am Hinterkopf und dem Sofa fehlt ein Fuß. Was zum Teufel war das?
    »Was zum Teufel war das?«, frage ich also. Ich weiß es nämlich wirklich nicht.
    »Überfällig und einmalig.«
    »Echt?«
    »Einmalig im Sinne von: ein einziges Mal.«
    »Ach so.«
    »Ich habe einen Freund«, sagt Rieke.
    »Ich habe eine Freundin, glaube ich«, glaube ich.
    »Das glaube ich allerdings nicht«, tönt eine zerdrückte Stimme von der Tür.
    Sarah.

19 Ich würde gern mit jemandem reden, aber Matthes ist eher nicht so der Typ, der gerne redet. Heute schon gar nicht. Er rennt lieber halbnackt um den Wohnzimmertisch, weil Priscilla wieder aufgetaucht ist.
    Sie stand gestern Abend vor der Tür und hat ihm als Gastgeschenk ein Supermankostüm mitgebracht. Seitdem haben sich die beiden in Matthes’ Zimmer verschanzt und spielen Wonderwoman und Superman. Alle halbe Stunde knallt die Tür auf und einer der beiden rennt mit wehendem Umhang um den Tisch, an dem ich sitze, um dann wieder kreischend im Zimmer zu verschwinden.
    »Sarah hat Schluss gemacht«, rufe ich Matthes zu.
    »Ich kann fliegen«, brüllt er enthusiasmiert zurück und knallt die Tür hinter sich zu.
    Ich erwäge mittlerweile ernsthaft, Oma Wittrich mein Herz auszuschütten, also muss ich wirklich verzweifelt sein. Um deren Aufmerksamkeit zu erregen, müsste ich den Sachverhalt nämlich in Scrabblebuchstaben aufs Brett legen.
    Außerdem hat sie sich seit gestern nicht mehr gemeldet und das macht sie sonst nie.
    Aber wenn etwas passiert wäre, hätte man das sicher gerochen. Bernd hatte als Kind mal einen Hamster, der hinter die Holzverkleidung in seinem Zimmer gekrochen war, weil er gegen Bernds ständige Tierversuche protestieren wollte. Der hat sehr schnell sehr fies gestunken.
    Ich gehe hinunter, rieche jedoch nichts Verdächtiges, klopfe an die Küchentür, bekomme keine Antwort, klopfe zur Sicherheit noch einmal und ernte diesmal ein leises Schnaufen.
    »Ich komme jetzt rein«, rufe ich und drücke die Klinke herunter, aber die Tür ist blockiert.
    »Alles in Ordnung?«
    Ich drücke die Tür mit der Schulter auf und entdecke, dass jemand den Kokosläufer unter die Tür gepresst hatte. Oma Wittrich sitzt mit glasigen Augen am Küchentisch, vor sich eine Batterie halbleerer Eierlikör- und Cognacflaschen. Es ist furchtbar heiß in der Küche, die Fenster sind verschlossen und die Ritzen mit Klopapier verstopft. Der Herd ist angeschaltet, alle vier Platten glühen und die Backofenklappe steht weit offen.
    »Was um alles in der Welt tun Sie da?«
    »Ich bringe mich um«, sagt Oma Wittrich und zeigt auf den Herd.
    »Das ist ein Elektroherd.«
    »Ich weiß, dass das ein Elektroherd ist.«
    »Damit können Sie sich nicht umbringen. Jedenfalls nicht so.«
    »Nein?«
    »Ziemlich sicher. Sie können natürlich danebensitzen und sich zu Tode saufen, aber dazu brauchen Sie den Herd ja nicht anzumachen. Machen Sie doch lieber das Fenster dabei auf, ist doch schönes Wetter heute.«
    »Ich saufe nicht.«
    »Doch. Tun Sie.«
    »Ich trinke lediglich aus geselligen Gründen.«
    »Ja. Das sehe ich.«
    »Lenk nicht ab, Grünschnabel. Zurück zum Herd. Minchen Brinkhelm ist auch so aus dem Leben geschieden, das war im März siebenundsiebzig. Sie hat sogar das Haus zum Explodieren gebracht und das hätte ihr niemand zugetraut, sie war doch so eine Ruhige.«
    »Vermutlich hatte sie einen
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