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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)
Autoren: Christian Bartel
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Rashid Spaß gemacht.«
    »Ihr habt ihn an durchgeknallte Rocker verliehen.«
    »Das hat ihm noch mehr Spaß gemacht.«
    »Natürlich hat es ihm Spaß gemacht. Scheiße bauen macht immer Spaß, so ist das Universum entstanden.«
    »Was?«
    »Würdest du eh nicht verstehen, Erbsenhirn.«
    Da hat er Recht. Ich verstehe kein Wort.
    »Aber es hätte schiefgehen können. Er hat Anfälle, die ihn umbringen können.«
    »Das war nicht so gut, stimmt. Aber es ist ja gutgegangen.«
    Günther schüttelt den Kopf.
    »Ich habe mir das alles angeguckt. Günther, habe ich mir gesagt, der Junge ist lernfähig und im Grunde seines Herzens auch nicht verkommener als der Rest. Lass ihn mal machen, hab ich mir gesagt, der kriegt schon die Kurve.«
    »Welche Kurve?«
    »Welche Kurve, welche Kurve?«, äfft Günther mich nach. »Die Kurve zum Erwachsenwerden, Schwachkopf.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Ich weiß ja nicht einmal, warum du überhaupt plötzlich sprichst«, sage ich, aber Günther macht eine abwehrende Handbewegung.
    »Das mit der Ausstellung für den Kollegen Horsti hat er ja ganz gut hingekriegt, habe ich gedacht, weil er endlich gemerkt hat, dass sich nicht alles bloß um ihn dreht. Er hat ausnahmsweise nicht den Zonk gewählt.«
    »Zonk?«
    »Ich rede von Entscheidungen. Entscheidungen an den Weggabelungen des Lebens. An denen man sich entweder als denkendes oder wenigstens fühlendes Wesen beweisen oder als kompletter Arsch dastehen kann. Auf welcher Seite siehst du dich da, Sportsfreund?«
    »Arsch?«, rate ich vorsichtig.
    Günther nickt. Sehe ich das richtig, dass dieser schimpfende Zwergmongole mir gerade erklärt, dass nicht er und die Kollegen, wie er sich auzudrücken pflegt, die Betreuungspflichtigen seien, sondern wir, die Zivildienstleistenden, und dass er und die Kollegen mannigfaltiges Ungemach auf sich nähmen, damit Typen wie ich endlich anfingen, über etwas anderes als uns selbst nachzudenken, oder, um Günther wörtlich zu zitieren, den Kopf aus dem eigenen Arsch zögen?
    »Aber ich habe gedacht …«
    »Du, mein Freund, denkst allerhöchstens mit dem Schwanz. Im Prinzip kein Problem, wenn man anschließend nicht trotzdem von allen geliebt werden wollte, von Sarah zum Beispiel.«
    Ich zeige mich entrüstet, von einem imaginierten Günther in Mongolenverkleidung auf charakterliche Defizite angesprochen zu werden, aber das ficht ihn nicht an.
    Günther behauptet stier, Recht zu haben, und was ich mir ansonsten zusammenspinne, gehe ihn nichts an. Seinethalben könne ich ihn auch als rosa Elefanten auftreten lassen, an der Sache ändere das nichts, sagt Günther. Ich versuche das mit dem Elefanten, aber Günther hat Recht, es ändert überhaupt nichts.
    »Was soll ich denn machen?«
    »Tu ein einziges Mal das Richtige.«
    »Was denn?«
    »Das Richtige. Und wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich muss nach Hause telefonieren.«
    »Hä?«
    »Nichts. Kleiner Alienwitz. Und nicht vergessen: das Richtige.«
    Dann ist er weg.
    Und die Steppe auch. Dafür ist die vermaledeite Küche wieder da.
    Ich sitze also belämmert in Oma Wittrichs Küche und streichele eine Pelzmütze.
    Und dann fange ich tatsächlich an, das Richtige zu tun: Ich rufe einen Krankenwagen.
    Oma Wittrich sieht nämlich irgendwie nicht gut aus.

21 »Autosuggestion«, sagt Matthes und guckt der Krankenschwester nach. »Kommt in den besten Familien vor.«
    Ich schüttele den Kopf. Ich glaub’s einfach nicht.
    »Im Leben nicht«, sage ich fassungslos.
    Das war der heftigste Trip, den ich je erlebt habe. Die Steppe? Günther? Das kann ich mir doch nicht alles eingebildet haben. Nicht ohne chemische Hilfe, meine ich natürlich.
    »Du hast eben eine blühende Phantasie. Außerdem wolltest du offensichtlich ganz dringend etwas sehen«, doziert Matthes begeistert. »Placebo-Effekt, selbsterfüllende Prophezeiung, religiöse Verzückung, nenn es, wie du willst.«
    »Ich habe es Günther genannt.«
    Matthes gackert los.
    »Das ist schon geil, dass sich dein Über-Ich ausgerechnet als Günther manifestiert hat.«
    »Kann das bitte unter uns bleiben?«
    Ich schaue Oma Wittrich an, die kalkweiß in ihrem Krankenhausbett liegt und schnarcht. Eine Kanüle steckt in ihrem Arm. Dehydriert, haben die Ärzte gesagt, aber nichts Lebensbedrohendes.
    »Sie ist zu einem Uhu geworden und ist dann weggeflogen.«
    Matthes findet das lustig.
    »Es war vollkommen real. Matthes, ich bin verrückt geworden.«
    »Schnickschnack«, sagt der,
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