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Betongold

Betongold

Titel: Betongold
Autoren: Tom Westerhoff
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Juliane und setzte sich ihm gegenüber. Sie blickte zum Kellner, der erwartungsvoll neben ihr stand »Ein Glas Wasser bitte.« »Ein Glas Wasser, gnädige Frau?«, sagte dieser mit einer Stimme, die sie daran erinnern sollte, dass dies ein gehobenes Feinschmeckerlokal war, in dem man nur ganze Flaschen bestellte. »Hier ist es ja nicht zum Aushalten, der Rauch ist ja grauenhaft, Paul.« Der Kellner wartete auf die Bestellung eines Alternativgetränks.
    Paul, sie hatte Paul gesagt. Kunkel schaute sie ungläubig an, überlegte kurz, dann stand er auf. »Lass uns gehen, ich kenne eine Dönerbude, da ist es viel gemütlicher, schmeckt besser und da gibt es auch Wasser in Gläsern.« Er schnippte dem ziemlich verdutzt dreinschauenden Kellner einen fünfzig Euroschein auf den Tisch. »Das Souvlaki können Sie selbst essen, wohl bekomm’s.«
    Die frische Luft tat ihm gut. Der Nordwestwind hatte zwar immer noch die sibirische Kälte in die Stadt geblasen, doch der Wein und die offensichtliche Versöhnungsgeste von Juliane wärmten von innen.
    Â»Gibt es Neuigkeiten?«, fragte er in erwartungsvoller Haltung, doch Juliane schien ihn gar nicht gehört zu haben. »Hast du etwas rausgefunden? Juliane? Hallo?«
    Â»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet«, sagte sie mit einem Lächeln in der Stimme.
    Â»Welche Frage? Ach so, ja, nein, habe ich nicht. Können wir denn?«
    Â»Lass uns ins Warme gehen, dann erzähle ich es dir.«
    Zehn Minuten und zwanzig kalte Finger später saßen sie im Alibaba bei Döner und Dosenbier. Während Juliane den Kebab mit sezierartiger Raffinesse aß, fielen Paul bei jedem Bissen abwechselnd diverse Zutaten auf den Tisch. Auch seine Finger waren mittlerweile in Mitleidenschaft gezogen worden. Eine Mischung aus einer Joghurt-Knoblauch-Chili-Pampe bahnte sich ihren Weg zwischen seinen Fingern, um das heruntergefallene Potpourri aus Zwiebeln, Rotkohl und Dönerfleisch zu neuem Leben zu erwecken.
    Â»Daraus machen wir noch einen Minidöner«, lachte sie.
    Â»Also erzähl, hat er geredet?«, fragte Paul, während er sich die Finger mit einem Stapel Miniservietten abwischte und den Rest des Minidöners in die Alufolie einrollte.
    Â»Er hat geredet, eine ganze Stunde, es ist nur so aus ihm herausgesprudelt; dann kam sein Anwalt und hat ihn mitgenommen.«
    Â»Dann gehe ich mal davon aus, dass er nicht gestanden hat.«
    Â»Nein, aber ich bin auch nicht sicher, ob er es war. Zuerst hat er nur von seiner damaligen Flucht und der ersten Zeit in Berlin geredet. Ich glaube, das hat ihn sehr belastet und er wusste auch von mir. Schließlich hat die Haushälterin ihn immer auf dem Laufenden gehalten.«
    Â»Und wie war das damals?«
    Â»Das Protokoll wird gerade geschrieben. Aber ich erzähle dir die Kurzfassung. Sein Vater hat ihn insgeheim für den Tod seiner Mutter verantwortlich gemacht. Er konnte sich an den Unfall nicht mehr genau erinnern, aber er weiß noch, dass sein Spielzeug damals vom Sitz gefallen war und seine Mutter es während der Fahrt aufheben wollte. Das hat er nach dem Unfall erzählt und seitdem hat sein Vater in regelmäßigen Abständen eingesperrt, ihn geschlagen, sein Lieblingsspielzeug zerstört. Meistens an seinen Geburtstagen und an Weihnachten. Und besonders schlimm war es am Todestag der Mutter. Dann hat er ihn zum Grab gebracht und gesagt: Schau, was du gemacht hast . Er muss unglaubliche Schuldgefühle gehabt haben.«
    Â»Oder auch noch haben.«
    Â»Und noch haben. Der Sport war das einzige Ventil, das er hatte. Wenn er mit seinen Freunden Fußball spielte, konnte er seine Aggressionen rauslassen, sozusagen unter Kontrolle. Als dann der Vater ihn abmeldete und den Vereinsbeitrag nicht mehr bezahlte, ist er ausgeflippt und beschloss abzuhauen. Bei einem Fußballturnier hatte er einen Jungen aus einer Berliner Mannschaft kennengelernt. Sven Martin. Dieser Sven war damals schon 18, also zwei Jahre älter und Vollwaise. Seine Eltern sind auch bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er hatte schon eine eigene Wohnung. Dort kam er erst einmal unter. Beide hatten sich in den Kopf gesetzt nach Amerika zu gehen, wenn sie genügend Geld zusammenhatten. Sie jobbten auf dem Großmarkt und als Bauhelfer. Doch dann verliebte Sven sich in eine Amerikanerin, heiratete sie und nahm ihren Namen an. Als Abschiedsgeschenk hat er dann Patrick seine
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