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Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium
Autoren: Michael Tobias
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jemals gesagt oder getan hat, würde mich in diesem Moment überraschen.«
    »Canterbury, richtig?«
    »Ja, ja. Aber das ist eine Ewigkeit her.«
    »Alles von dem ist eine Ewigkeit her!«
    »Richtig, mein Ururgroßvater oder vielleicht sogar dessen Vater. Mein Vater hat kaum je darüber gesprochen. Nur dass irgendwann einmal ein Familiengrab existiert hat.«
    »In der Kirche Dunstans von Canterbury?«
    »Woher wusstest du das?«
    »Ich weiß alles.«
    »Ich habe nie daran gedacht, mich dort umzuschauen. Welchen Sinn hätte es gehabt?«
    Margaret verdrehte die Augen. »Der Punkt, mein Lieber, ist die Tradition des englischen Staatsromans. Wer schrieb Utopia?«
    »Was meinst du, Erewhon oder Utopia?«
    »Sir Thomas Morus, beziehungsweise Thomas More, wie wir Engländer ihn nennen, natürlich.«
    »Genau. More. There's More! Der Name findet sich auch auf der Liste. Sir Thomas More hat sich dort gleichfalls verewigt.«
    »Margaret, wir liegen im Dreck, und das Ganze wird allmählich ermüdend. Alles Mögliche kann ein Hinweis, ein Indiz sein, wenn du es möchtest. Leonardo steht auf der Liste. Er hat Unterseeboote erfunden. Heißt das jetzt, dass wir jedes U-Boot suchen, dessen Name mit L oder V beginnt?«
    »Sir Thomas More wurde in St. Dunstan's einbalsamiert.«
    »Nein. Tatsächlich wurde nur sein Kopf dort einbalsamiert - und das auch nur vielleicht. Er soll sich im Sarg seiner Schwester befinden, der in der Kirche im so genannten Roper-Gang liegt. Ein archäologisches Ausgrabungsprojekt vor einigen Jahren erbrachte nichts. Da war kein Schädel.«
    Margaret war beeindruckt. »Woher weißt du das?«
    »Ein Kunde von uns wollte die Kirche mieten, wartete jedoch ab, bis klar war, ob dort ein berühmter Schädel gefunden wurde. Soweit ich mich erinnere, wurde Thomas More enthauptet.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Nun, dort war kein Schädel. Und niemand ließ etwas über eine illustrierte Handschrift verlauten.«
    Margaret war mit ihrem Latein am Ende und überlegte angestrengt. »Natürlich haben sie nichts davon erzählt. Sie haben es gestohlen.«
    »An diesem Unternehmen waren zwei Dutzend Leute beteiligt. Die Presse stand direkt daneben, als die Wissenschaftler und die Studenten die Grabstätte öffneten. Sie war leer, Margaret.«
    Margaret ließ sich in den Staub sinken. Sie war völlig ratlos.
    »Aber das leuchtet absolut ein. Die Gruft, eine utopische Gruft, wäre der wahrscheinlichste Aufbewahrungsort gewesen«, sinnierte sie laut. »Und was wäre, wenn es der letzte Ort war?«
    »Wir können nicht ewig durch die Gegend irren. Dafür haben wir keine Zeit. Es tut mir leid, Liebes. Ich schlage vor, dass wir auf dem schnellsten Weg nach Frankreich zurückkehren. Es wird Zeit, dass du meinen exzentrischen Onkel kennenlernst und mit eigenen Augen das ziemlich ungewöhnliche Erbe siehst, mit dem wir es zu tun haben werden. Es ist offensichtlich, dass diese Hinweise platziert wurden, um die Nazis oder jeden anderen, der das Buch suchte, von seiner Spur abzulenken. Ich habe keine Ahnung, wie wir es jemals finden sollen. Ich muss Onkel James diese Nachricht überbringen.«
    Margaret hatte noch nicht kapituliert. Nicht so leicht und schnell. Sie holte das Gästeverzeichnis vorsichtig aus ihrer Computertasche und studierte die Signaturen und die dazugehörigen Hinweise. Sie suchte nach irgendetwas, das die Hofburg, Hitler, die Invasion Polens, Savery, Beethovens Neunte Sinfonie, die letzten Tage Antonio Vivaldis in seinem Wiener Exil und Sir Thomas More miteinander verbinden könnte. Irgendein spezielles Merkmal, Regelmäßigkeiten, Unregelmäßig ...
    »Martin!«
    Es existierte tatsächlich. Die ganze Zeit schon. Ein System.
    »Sieh mal. Keine Zeitangaben, richtig?«
    »Hm-hm.«
    »Keinerlei chronologische Ordnung. Findest du das nicht seltsam? Sankt Franziskus in der Mitte, Giotto hinter Gesner, die Königinmutter neben Fra Angelico.«
    »Das hat James auch schon erwähnt. Glaubst du etwa, das Buch ist eine Fälschung?«
    Margarets Computer hatte noch etwa sieben Prozent Akkuleistung in Reserve. Sie erinnerte sich an eine bestimmte Datei. Eine Studie über die Brüder van Eyck aus den 1930er Jahren, die sie einmal verwendet hatte. Dort befanden sich auch die Signaturen der Künstler. Sie rief die Datei auf und verglich die Signaturen auf dem Bildschirm mit denen im Buch.
    »Vergrößere das mal«, verlangte Martin.
    Sie gehorchte, fünfhundert Prozent. Sie stimmten genau überein.
    »Es ist keine Fälschung. Die Künstler waren
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